Der Pilot von der Donau
geschlossenen Fensterläden schlief noch alles.
»Holla… He!… Gastwirt! rief einer der beiden den Wagen führenden Männer, indem er mit dem Peitschenstiel an die Tür klopfte.
– Gleich…!« hörte man die Stimme des Schenkwirtes.
Einen Augenblick später zeigte sich schon ein Kopf mit wirren Haaren an einem Fenster des obern Stockwerkes.
»Was wünschen Sie denn? fragte der Wirt nicht allzu freundlich.
– Zuerst etwas zu essen, und dann zu schlafen, antwortete der Fuhrmann.
– Gleich… gleich!« wiederholte der Wirt, während er im Innern verschwand.
Als der Planwagen durch das weit geöffnete Tor auf den Hof eingefahren war, beeilten sich die Führer, ihre Pferde auszuspannen und sie in einen Stall zu bringen, wo ihnen ein reichliches Futter vorgeschüttet wurde. Inzwischen machte sich der Wirt eifrig mit seinen frühzeitigen Gästen zu schaffen. Offenbar hätte er gar zu gern ein kleines Gespräch eingeleitet, die Fuhrleute schienen aber nicht geneigt, ihm Rede und Antwort zu stehen.
»Ihr kommt ja zeitig am Morgen an, Kameraden, begann der Schenkwirt. Ihr seid wohl die ganze Nacht unterwegs gewesen?
– Nun ja; ungefähr so etwas, antwortete der eine Fuhrmann kurz.
– Und ihr wollt auch heute noch weit fahren?
– Weit oder nicht weit; das ist doch unsre Sache«, lautete der Bescheid.
Der Gastwirt steckte die erhaltene Nase ein.
»Warum dem guten Mann zu nahe treten, Vogel? meldete sich jetzt der andre Fuhrmann, der den Mund bisher noch nicht aufgetan hatte. Wir haben doch keine Ursache, zu verheimlichen, daß wir nach Sankt Andrä wollen.
– Mag sein, daß das nicht nötig ist, erwiderte Vogel brummig, es geht doch aber, meine ich, niemand etwas an.
– Natürlich… ganz richtig, stimmte ihm der Wirt bei, der ja, wie jeder Geschäftsmann, andern nach dem Barte zu reden verstand. Was ich da sagte, nun, das war so eine altgewohnte Redensart. Die Herren wünschen also zu essen?
– Ja, antwortete der umgänglichere der beiden Gäste. Bringt uns Brot, Speck, Schinken, Würste, was gerade da ist.«
Der Wagen mußte wohl einen weiten Weg zurückgelegt haben, denn seine Insassen taten den Speisen mehr als alle Ehre an. Sie waren aber auch müde, und deshalb blieben sie nicht so lange am Tische sitzen. Kaum hatten sie den letzten Bissen im Munde, als sie eiligst schlafen gingen, der eine im Stalle bei den Pferden und der andre auf dem Wagen selbst.
Als sie sich wieder zeigten, war es schon etwas über Mittag. Sofort bestellten sie sich eine zweite Mahlzeit, die ihnen, wie die frühere, im großen Gastzimmer der Schenke aufgetragen wurde. Da sie jetzt ausgeruht hatten, nahmen sie sich Zeit. Aufs Dessert folgten noch mehrere Gläschen Branntwein, der in den rauhen Kehlen wie Wasser verschwand.
Am Nachmittage hielten noch verschiedne Wagen vor dem Gasthause an und zahlreiche Fußgänger traten herein, einen Schoppen Bier zu genießen. Meist waren das Bauern, die mit dem Quersack auf dem Rücken und den Stock in der Hand sich nach Gran begaben oder von da zurückkehrten. Fast alle waren es alte Kunden, und der Gastwirt konnte sich nur beglückwünschen, einen guten Schluck vertragen zu können, denn er pokulierte mit allen Gästen, mit einem nach dem andern. Das macht ja das Geschäft lebhafter. Wenn man trinkt und sich die Kehle trocken plappert, muß man ja immer zu erneuten Trankopfern greifen.
An diesem Tage war die Unterhaltung besonders lebhaft. Das in der Nacht begangene Verbrechen hatte die Gemüter in Aufruhr versetzt; die Neuigkeit war von den ersten Passanten mitgebracht worden, und jeder wußte ihr noch eine Einzelheit hinzuzufügen oder sprach seine Ansicht über die Untat aus.
Der Gastwirt erfuhr dabei nach und nach, daß die prächtige, fünfhundert Meter vom Donauufer gelegene Villa des Grafen Hagenau gänzlich verwüstet und der Hausmann Christian schwer verwundet worden sei, ferner daß dieses Verbrechen ohne Zweifel das Werk der unergreifbaren Räuberbande wäre, der man so viele andre, noch ungesühnte Schandtaten zuschrieb, endlich, daß die Polizei jetzt die Gegend absuche und den Verbrechern von der kürzlich zur Überwachung der Donau errichteten internationalen Brigade nachgespürt werde.
Die beiden Fuhrleute mischten sich nicht in das Gespräch, das sich um das neueste Ereignis drehte, ein allgemeines Gespräch, das unter vielen Ausrufen und argem Geschrei verlief Schweigend hielten sie sich beiseite, verloren aber jedenfalls keins der Worte, die rundumher
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