Der Pilot von der Donau
der mehr der Aufmerksamkeit wert zu sein schien. Eine Brieftasche! Papiere! Höchst wahrscheinlich eine Antwort auf die Fragen, die Karl Dragoch schon seit mehreren Tagen beschäftigten.
Der Detektiv konnte sich nicht zurückhalten. Nach kurzem Zögern und auf die Gefahr hin, die Gesetze der Gastfreundschaft zu verletzen, streckte sich seine Hand aus und griff in den Kasten, woraus sie die so verführerische Brieftasche nebst deren Inhalt hervorbrachte, der sofort einer Besichtigung unterzogen wurde.
Da waren zunächst Briefe, mit deren Durchlesung Karl Dragoch sich nicht aufhielt und deren Adresse an Herrn Ilia Brusch in Szalka lautete; ferner Empfangsbescheinigungen und Mietzinsquittungen auf denselben Namen. Das bot alles natürlich kein besondres Interesse.
Karl Tragoch wollte schon auf das weitere verzichten, als ein letztes »Dokument« ihn unwillkürlich erzittern ließ. Nichts konnte übrigens unschuldiger aussehen, und man mußte eben Geheimpolizist sein, um gegenüber einem solchen »Dokument« etwas andres als eine gewisse Teilnahme zu empfinden.
Es war ein Bild, das einer junger Frau, deren auffallende Schonheit jeden Maler entzückt hätte. Ein Polizist ist aber kein Künstler, und so war es auch nicht die Bewunderung für das bezaubernde Gesicht, die Karl Dragochs Herz schneller klopfen machte. Die Gesichtszüge hatte er überhaupt kaum betrachtet und eigentlich von dem Porträt nichts gesehen, als unter der Photographie ein paar Worte in bulgarischer Sprache: »Ihrem lieben Gatten… Natscha Ladko.«
Sein Verdacht erwies sich also als richtig und als logisch seine auf die einzelnen Beobachtungen aufgebauten Schlüsse. Ladko! Also war es doch Ladko, mit dem er hier die Donau schon seit so vielen Tagen hinunterfuhr; es war der gefährliche, bisher vergeblich verfolgte Verbrecher, der sich unter der harmlosen Persönlichkeit eines Preisträgers des Donaubundes verbarg.
Wie sollte sich nun Karl Dragoch nach einer solchen Aufklärung verhalten? Er war sich darüber noch nicht klar geworden, als er wegen eines Geräusches von Schritten am Ufer die Brieftasche wieder tief in den Kasten schleuderte und dessen Deckel schnell zuschlug. Der da kam, konnte Ilia Brusch unmöglich sein, denn dieser war erst vor zehn Minuten weggegangen.
»Herr Dragoch! kam da eine Stimme von außen.
– Friedrich Uhlmann? murmelte Karl Dragoch, der sich nur mit Mühe aufrecht erhalten konnte und schwankend aus der Koje hervortrat.
»Entschuldigen Sie, daß ich Sie gerufen habe, sagte Friedrich Uhlmann, sobald er seines Chefs ansichtig wurde… Ich habe Ihren Begleiter fortgehen sehen und wußte, daß Sie allein waren.
– Was ist denn geschehen? fragte Karl Dragoch.
– Etwas neues: heute Nacht ist wieder ein Verbrechen begangen worden.
– Diese Nacht! rief Karl Dragoch, dem sogleich die Abwesenheit Ilia Bruschs in der vergangnen Nacht einfiel.
– Unweit von hier ist eine Villa ausgeplündert und deren Hausmann überfallen worden.
– Ist der Mann tot?
– Nein, aber schwer verwundet.
– Das ist gut«, erklärte Karl Dragoch, während er mit einer Handbewegung seinen Untergebenen zu schweigen aufforderte.
Er dachte reiflich nach. Was sollte er beginnen? Natürlich handeln, und dazu würde es ihm ja an Kraft nicht fehlen. Die eben erhaltene Nachricht war für ihn die beste Arznei. Jetzt spürte er schon gar nichts mehr von dem Unfall, der ihn betroffen hatte, und hatte nicht mehr nötig, sich am Dache der Koje zu stützen. Bei dem Peitschenschlag, der seine Nerven aufgerüttelt hatte, strömte ihm das Blut stärker ins Gesicht.
Ja, es mußte gehandelt werden, doch wie? Sollte er die Rückkehr Ilia Bruschs oder vielmehr Ladkos abwarten, da das ja der richtige Name seines Reisegefährten war, und sollte er dem unversehens mit einem »Im Namen des Gesetzes!« die Hand auf die Schulter legen? Das erschien ja als das richtigste, da jetzt über die Schuld des angeblichen Fischers kein Zweifel mehr bestehen konnte. Die Sorgfalt, womit er seine Persönlichkeit verbarg, das Geheimnis, mit dem er sich umgab, der Name, der der seinige und gleichzeitig der war, womit die öffentliche Meinung den Anführer der Räuberbande bezeichnete, seine Abwesenheit in der vergangnen Nacht, die mit der Entdeckung eines neuen Verbrechens zusammenfiel… alles sagte dem Karl Dragoch, daß Ilia Brusch der lange gesuchte Bandit sei.
Dieser Bandit hatte ihm aber das Leben gerettet; das erschwerte seine Lage recht bedenklich.
Wie war wohl
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