Der Pilot von der Donau
Zwischenfall vorübergekommen, wenn hier nicht ein Hund, der mitten auf der Straße geschlafen hatte, plötzlich laut bellend davongelaufen wäre, wodurch das Sattelpferd etwas scheu wurde und sich bis zu dem niedrigeren Fußwege an der Seite der Straße drängte. Die Fuhrleute brachten das Tier aber bald wieder in seine Richtung, und zum zweiten Male verschwand dann der Wagen in der Nacht.
Es mochte etwa halb elf Uhr sein, als er, von der Landstraße abschwenkend, unter das Blätterdach eines kleinen Gehölzes einfuhr, dessen düstre Masse sich zur Linken erhob Hier wurde er bei der dritten Radumdrehung angehalten.
»Wer da? rief eine Stimme aus der Finsternis.
– Kaiserlick und Vogel, antworteten die Fuhrleute.
– Können passieren,« ertönte die frühere Stimme.
Hinter den ersten Baumreihen gelangte der Planwagen nach einer Lichtung, wo, auf dem Moose ausgestreckt, etwa fünfzehn Männer schliefen.
»Ist der Chef schon da? erkundigte sich Kaiserlick.
– Noch nicht.
– Er hat uns gesagt, ihn hier zu erwarten.«
Das sollte nicht lange dauern. Kaum eine halbe Stunde nach dem Wagen traf der Chef, derselbe Mann, der so spät nach dem Gasthause gekommen war, begleitet von zehn Genossen, auf dem Platze ein. Von der Bande waren also jetzt fünfundzwanzig Mann hier vereinigt.
»Sind jetzt alle da? fragte er.
– Jawohl, antwortete Kaiserlick, der bei der Bande ein besondres Ansehen zu genießen schien.
– Auch Titscha?
– Hier! ertönte eine klangvolle Stimme.
– Nun, wie steht’s?
– Voller Erfolg auf der ganzen Linie. Der Vogel sitzt auf der Schute im Käfig.
– Dann laßt uns aufbrechen, aber schnell! befahl der Chef. Sechs Mann als Plänkler voraus, die übrigen als Nachhut, der Wagen in der Mitte. Die Donau ist nicht fünfhundert Meter von hier, und die Ausladung ist im Handumdrehen zu bewerkstelligen. Vogel wird dann den Wagen mitnehmen, die, die hier aus dem Lande sind, mögen nach Hause gehen, und die andern begeben sich auf die Schule.«
Alle beeilten sich, den Anordnungen nachzukommen, als einer, der zur Beobachtung der Landstraße zurückgelassen worden war, atemlos heranstürmte.
»Achtung! rief er mit verhaltener Stimme.
– Was gibt es denn? fragte der Anführer der Bande.
– Horcht nur!«
Alle spitzten die Ohren. Von der Straße her hörte man die Schritte einer Truppe. Zu diesem Geräusche gesellten sich einige halblaute Stimmen. Die Entfernung konnte kaum wenige hundert Meter betragen.
»Wir wollen hier auf der Waldblöße bleiben, befahl der Chef. Die da draußen ziehen schon vorüber, ohne uns zu sehen.«
Bei der tiefen Dunkelheit mußten sie ja wahrscheinlich unbemerkt bleiben, dagegen erhob sich ein andres Bedenken: wenn es unglücklicherweise eine Polizistenabteilung war, die diese Straße hinuntermarschierte, so bewegte sie sich auf den Strom zu. Deshalb brauchten sie freilich das dort verankerte Fahrzeug noch nicht zu entdecken, und überdies war für einen solchen Fall Vorsorge getroffen. Die Polizisten konnten es ruhig von oben bis unten durchsuchen, etwas Verdächtiges würden sie doch nicht finden. Selbst angenommen aber, daß diese Polizeitruppe gar nichts von der Schute ahnte, blieb sie in der Umgebung vielleicht im Hinterhalt liegen, und in diesem Falle wäre es unklug gewesen, sich mit dem Wagen sehen zu lassen.
Übrigens sollte im Notfall nach den vorliegenden Umständen gehandelt werden. Nachdem alle den ganzen folgenden Tag auf der Lichtung gewartet hatten, mußten doch endlich einige Mann in der Nacht bis zur Donau hinuntergehen, um sich von der Abwesenheit jedes Polizeiaufgebotes zu überzeugen.
Augenblicklich kam es vor allem darauf an, nicht aufgespürt zu werden, und auf keine Weise die Aufmerksamkeit des sich nähernden Trupps zu erregen.
Dieser erreichte bald die Stelle, wo die Straße neben der Waldblöße verlief. Trotz der schwarzen Nacht war da zu erkennen, daß er aus zehn Mann bestand, und das Klirren stählerner Gegenstände verriet, daß diese bewaffnet waren.
Die Truppe war schon über die Lichtung hinaus, als ein Zwischenfall die Sachlage vollständig veränderte.
Eines der Pferde, das durch das Vorüberkommen von Menschen erschreckt erschien, fing an zu schnauben und wieherte dann laut, was das andre Pferd wiederholte.
Die dahinmarschierende Truppe machte sofort Halt.
Es war in der Tat eine Polizeirotte auf dem Wege nach dem Strome und unter der Anführung Karl Dragochs, der sich von seinem Unfalle am Morgen völlig erholt
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