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Der Pilot von der Donau

Der Pilot von der Donau

Titel: Der Pilot von der Donau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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gewesen sein?
    – Ja, weiß ich’s? Ich kann mich da ja auf sonst etwas gefaßt machen, wenn ich sehe, wie du einen Auftrag ausführst. Hast du ihn denn erkannt, als du ihn festnahmst?
    – Das kann ich nicht behaupten, gestand Titscha. Er kehrte mir gerade den Rücken zu.
    – Nun, da haben wir’s ja!…
    – Das Boot hab’ ich dagegen mit aller Sicherheit erkannt; das war bestimmt dasselbe, das du mir in Wien gezeigt hast. Das wenigstens steht fest.
    – Das Boot! Nur das Boot! Wie sah er denn aus, dein Gefangener? War er groß?«
    Serge Ladko und Iwan Striga waren tatsächlich fast von gleicher Größe. Im Liegen erscheint ein Mensch bekanntlich aber wesentlich länger als im Stehen, und Titscha hatte den Piloten kaum anders als auf dem Fußboden seines Gefängnisses liegend gesehen. Im besten Glauben antwortete er daher:
    »Einen Kopf größer als du.
    – Dann war es Dragoch nicht!« murmelte Striga, der wußte, daß er den Detektiv an Höhe übertraf.
    Nach einigem Nachdenken fragte er weiter:
    »Ähnelte der Gefangne vielleicht jemand aus deiner Bekanntschaft?
    – Aus meiner Bekanntschaft? protestierte Titscha. Keine Spur!
    – Na, könnte er vielleicht nicht… Ladko ähnlich sehen?
    – Nein, welcher Gedanke! rief Titscha. Warum zum Teufel willst du denn, daß Dragoch und Ladko einander ähnlich wären?
    – Ja, wenn unser Gefangner nun nicht Dragoch war?
    – Na, Ladko aber ebensowenig. Den kenne ich zum Kuckuck denn doch zu gut, um mich nicht täuschen zu lassen.
    – Antworte nur auf meine Frage, verlangte Striga. War er dem ähnlich?
    – Du träumst wohl, widersprach ihm Titscha. Der Gefangne hatte zunächst keinen Bart, so wie Ladko.
    – Ein Bart läßt sich abschneiden, warf Striga ein.
    – Das geb’ ich zu. Dann trug der Gefangne auch eine Brille.«
    Striga zuckte die Achseln, als ob er auf dergleichen kein Gewicht legte.
    »War er brünett oder blond? fragte er.
    – Brünett, versicherte Titscha überzeugten Tones.
    – Bist du dessen sicher?
    – Ohne jeden Zweifel!
    – Das wäre also Ladko nicht, murmelte Striga von neuem. Dann könnte es Ilia Brusch sein?
    – Welcher Ilia Brusch?
    – Der Fischer.
    – Bah! entfuhr es Titscha. Wenn der Gefangne nun aber weder Ladko noch Karl Dragoch war, hat’s ja nicht viel zu bedeuten, daß er durchgegangen ist.«
    Statt zu antworten, näherte sich jetzt Striga dem Fenster. Nach Prüfung der Blutspuren bog er sich hinaus und suchte vergeblich die Dunkelheit zu durchdringen.
    »Seit wann mag er weg sein? fragte er dann halblaut.
    – Nicht länger als seit zwei Stunden, versicherte Titscha.
    – Wenn er schon zwei Stunden Vorsprung hat, wird er schon weit weg sein«, rief Striga, der seinen Zorn kaum noch bemeistern konnte.
    Wieder nach einigem Nachsinnen fuhr er fort:
    »Für den Augenblick wird nichts zu machen sein. Die Nacht ist zu finster. Da der Vogel nun einmal ausgeflogen ist… na denn: Glück auf den Weg! Wir selbst werden kurz vor Tagesanbruch wieder abfahren, um so zeitig wie möglich jenseits von Belgrad zu sein.«
    Noch einen Augenblick dachte er nach, dann verließ er ohne ein weitres Wort, die Kabine und begab sich zu der gegenübergelegenen. Titscha lauschte. Zuerst hörte er nichts, dann drangen durch die geschlossene Tür aber Laute von Stimmen, die an Stärke immer zunahmen. Verächtlich die Achseln zuckend, schlich sich Titscha davon und suchte sein Bett auf.
    Es war unrichtig, daß Striga die Vornahme sofortiger Nachforschungen für nutzlos gehalten hatte. Solche wären vielleicht nicht vergeblich gewesen, denn der Flüchtling war noch nicht weit weg.
    Als er das Geräusch des Schlüssels im Schlosse vernahm, hatte Ladko mit verzweifelter Anstrengung das Hindernis überwunden. Unter dem heftigen Zuge seiner Muskeln war zuerst die Schulter und dann die Hüfte freigeworden, und dann war er wie ein Pfeil durch das enge Fenster geschnellt und mit dem Kopfe voran ins Wasser der Donau geflogen, das sich öffnete und ohne Geräusch über ihm wieder schloß. Als er nach kurzem Tauchen wieder an die Oberfläche kam, hatte ihn die Strömung schon ein gutes Stück weggetragen. Einen Augenblick später schwamm er am Achter der mit dem Bug stromaufwärts gewendeten Schute vorüber. Vor ihm war der Weg jetzt frei.
    Hier galt es nun, nicht zu zögern. Jedenfalls mußte er sich noch eine Zeitlang stromabwärts treiben lassen. Vor einer Wiederergreifung sicher, wollte er dann an eins der Ufer schwimmen. Wo er hier auch hinkam, würde er freilich

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