Der Pilot von der Donau
nahm Titscha wieder das Wort.
– Euch sprechen, erwiderte Dragoch, euch noch und einen andern. Ich bin nur deshalb in Rustschuk.
– Ihr seid also nicht von hier?
– Nein; ich bin heute erst eingetroffen.
– Da habt ihr euch ja einen sehr netten Augenblick ausgewählt«, erwiderte Titscha höhnisch, der damit offenbar auf die jetzt in Bulgarien herrschende Anarchie anspielte.
Dragoch gab zu erkennen, daß das ihn nichts angehe.
»Ich bin aus Gran«, sagte er dann.
Titscha schwieg still.
»Ihr kennt Gran wohl nicht? begann Dragoch wieder.
– Nein.
– Das ist merkwürdig, da ihr doch so nahe dabei wart.
– So nahe? wiederholte Titscha. Woher wollt ihr wissen, daß ich so nahe bei Gran gewesen wäre?
– Nun… Sapperment! sagte Karl Dragoch lachend, das liegt doch nicht weit von der Hagenauschen Villa.«
Jetzt war die Reihe zu erzittern an Titscha; er versuchte jedoch, sich durch Frechheit zu helfen.
»Die Hagenausche Villa? stammelte er mit einem Ton, der heiter und ruhig klingen sollte. Euch mag das bekannt sein, Kamerad; mir nicht.
– Wirklich nicht? fragte Karl Dragoch ironisch, und die Waldblöße beim Pilis, die kennt ihr wohl auch nicht?«
Titscha trat schnell noch näher und ergriff sein Gegenüber am Arme.
»Nicht so laut!« flüsterte er, ohne diesmal seine Erregung zu verbergen. Ihr seid wohl toll, so zu schreien.
– Es ist ja kein Mensch hier, wendete Dragoch ein.
– Das kann man niemals wissen, meinte Titscha und setzte noch fragend hinzu: Na, heraus mit der Sprache! Was wollt ihr eigentlich von mir?
– Ich?… Mit Ladko sprechen«, antwortete Dragoch, ohne die Stimme zu schwächen.
Titscha versuchte nochmals, ihn zum leisern Sprechen zu veranlassen.
»Still, still! rief er gedämpften Tones, während er einen ängstlichen Blick umherwarf. Ihr habt wohl drauf geschworen, uns hier abfassen zu lassen?«
Karl Dragoch lachte.
»Ach was, sagte er, wie sollen wir uns denn miteinander verständigen wenn wir stumm bleiben sollen!
– Übrigens, knurrte Titscha ärgerlich, schickt sich’s gar nicht, die Leute mitten in der Nacht zu überfallen ohne, Achtung!. zu rufen. Es gibt Dinge, die man auf offner Straße lieber nicht erwähnt.
– Ich bestehe nicht darauf, mit euch auf der Straße zu verhandeln, erwiderte Dragoch. Wir wollen also weitergehen.
– Ja… wohin denn?
– Das ist ja gleichgültig. Gibt’s hier denn keine Schenke in der Nähe?
– O doch, nur ein paar Schritte von hier.
– Dann wollen wir dahin gehen.
– Meinetwegen, stimmte Titscha zu. Also folgt mir.«
Fünfzig Meter weiterhin kamen die beiden Männer nach einem kleinen Platze. Vor ihnen schimmerte noch ein schwach erleuchtetes Fenster durch die Nacht.
»Da sind wir zur Stelle«, sagte Titscha.
Durch die offne Tür gingen sie in demselben Flur nach dem leeren Gastzimmer eines Cafés, worin wohl ein Dutzend Tische standen.
»Hier werden wir la ungestört sein,« sagte Dragoch.
Eben trat der Schenkwirt an die unerwarteten, späten Gäste heran.
»Was trinken wir denn?… Die Zeche bezahle ich, begann der Detektiv, indem er auf seine Hosentasche klopfte.
– Ein Glas Raki? schlug Titscha vor.
– Gut, also Raki. Und etwas Genever dazu. Ihr habt doch nichts dagegen?
– Auch gut, der Genever«, stimmte Titscha ein.
Karl Dragoch wandte sich dem der Bestellung gewärtigen Wirte zu.
»Sie haben’s ja wohl gehört, Freundchen? Nun her damit, doch etwas schnell!«
Während der Wirt eiligst davonging, maß Dragoch den andern prüfend mit den Augen. Da sah er dessen breite Schultern, seinen Stiernacken und eine schmale, von dichten grauen Haaren eingerahmte Stirn, kurz, einen richtigen Jahrmarktsathleten, ein wirkliches Tier, das ihm da gegenübersaß.
Sobald die Flaschen und die Gläser aufgetragen waren, knüpfte Titscha seine Worte wieder an das draußen abgebrochene Gespräch an.
»Ihr saget, ich wäre euch bekannt?
– Zweifelt ihr etwa daran?
– Und ihr kennt auch die Geschichte von Gran?
– Natürlich. Dabei sind wir ja zusammen tätig gewesen
– Das ist nicht möglich!
– Es ist aber doch so.
– Na, das versteh’ ich nicht, murmelte Titscha, der sich zu erinnern suchte. Wir waren doch nur unser acht!
– O nein, unterbrach ihn Dragoch; nicht acht, sondern mit mir neun.
– Ihr hättet damals mit Hand angelegt? fragte Titscha, der noch nicht recht überzeugt war, nochmals.
– Das will ich meinen! In der Villa, wie auf der Waldblöße. Ich war es ja, der den Wagen
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