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Der Pilot von der Donau

Der Pilot von der Donau

Titel: Der Pilot von der Donau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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frühern Vorsichtsmaßregeln zur Bewahrung seines Inkognitos vernachlässigte, geschah das, weil er wirklich nicht mehr daran dachte. Was hätten sie jetzt auch genützt? Sich nach seiner Verhaftung und Entweichung Ilia Brusch statt Serge Ladko zu nennen, wäre eines ebenso verdachterweckend gewesen wie das andre. Unter jedem dieser beiden Namen konnte er sich fortan nur heimlich nach Rustschuk einschleichen, da er sonst Gefahr lief, auf der Stelle abgefaßt zu werden.
    Von seinen Gedanken eingenommen, hatte er in diesen acht Tagen den Ufern gar keine Aufmerksamkeit zugewendet. Geachtet hatte er nur noch auf Belgrad – die »weiße Stadt«, die längs eines Hügels ansteigt, der den Konak, die Wohnung des Fürsten überragt, und die noch eine Vorstadt hat, wo ein ungeheurer Warenverkehr stattfindet – weil Belgrad die Grenze bezeichnete, wo das Machtbereich Izar Ronas aufhörte. Weiterhin bemerkte und beachtete der Fischer so gut wie nichts.
    Er sah weder Semendria, die alte Hauptstadt Serbiens, die wegen der sie umrahmenden Rebenhügel berühmt ist, noch Colombats, wo man eine Höhle zeigt, in der der Ritter Georg der Sage nach den Körper des eigenhändig getöteten Drachens niedergelegt haben soll, weder Orsowa, wo die Donau zwischen zwei früher türkischen Provinzen hinströmt, noch das Eiserne Tor, die so gefährliche Stelle, wo sich die Donau schäumend zwischen lotrechten, vierhundert Meter hohen Felswänden hindurchzwängt und wütend gegen die Felsblöcke brandet, die in ihrem Bette verstreut liegen, auch nicht Widdin, die erste bulgarische Stadt von einiger Bedeutung, so wenig wie Nikopoli oder Sista, zwei andre bekannte Städte, die er oberhalb Rustschuks passieren mußte.
    Mit Vorliebe hielt er sich nahe dem serbischen Ufer, wo er sich sichrer fühlte, und tatsächlich wurde er auch bis nach der Überwindung des Eisernen Tores von der Polizei nicht belästigt.
    Erst in Orsowa war es, wo ein Boot der Strompolizei die Jolle zum Anhalten aufforderte. Sehr beunruhigt folgte Serge Ladko dem Gebote und er fragte sich, was er auf die nun unausbleiblichen Fragen antworten sollte.
    Niemand richtete jedoch eine Frage an ihn. Auf ein Wort Karl Dragochs verneigte sich der Führer der kleinen Abteilung höflich, und von einer Durchsuchung war keine Rede mehr.
    Dem Piloten fiel es gar nicht ein, sich darüber zu wundern, daß ein Wiener Bürger hier über die öffentliche Gewalt nach Belieben verfügte. Glücklich, so leichten Kaufs davonzukommen, fand er eine Machtvollkommenheit, die zu seinem Vorteil gereichte, ganz natürlich, und er gab auch kein Erstaunen, sondern einfach eine zunehmende Ungeduld zu erkennen, als das Gespräch zwischen dem Polizisten und seinem Untergebenen sich verlängerte.
    Sowohl den Anordnungen des über die Entweichung seines Gefangnen wütenden Izar Rona, als den von Karl Dragoch selbst ausgegangnen nach, war die polizeiliche Überwachung des Stromes bedeutend verschärft worden. Von einer Strecke zur andern zwang man die Schiffe, eine Reihe von Stromsperren zu passieren, von denen die bei Orsowa eine der wichtigsten war. Die starke Einengung des Strombetts erleichterte die Überwachung, und es war unmöglich, daß ein Fahrzeug hier anders als nach gründlichster Durchsuchung vorüberkommen konnte.
    Als Karl Dragoch seinen Untergebnen befragte, erfuhr er gleichzeitig, daß die Nachsuchungen bisher fruchtlos gewesen seien, und daß vor zwei Tagen auf rumänischem Gebiete wieder ein beträchtlicher Einbruch und Diebstahl vorgekommen sei, und zwar an der Einmündung des Jirel, fast genau gegenüber der bulgarischen Stadt Rahowa.
    Den Donauräubern war es also gelungen, durch die Maschen des Netzes zu schlüpfen. Da nun die Bande die Gewohnheit hatte, sich nicht nur Gold und Silber, sondern wertvolle Gegenstände jeder Art anzueignen, mußte ja ihre Beute von beträchtlichem Umfang sein, und es erschien geradezu unbegreiflich, daß davon keine Spur gefunden worden wäre, da das betreffende Fahrzeug einer Durchsuchung nicht hatte entgehen können.
    Und doch verhielt es sich so.
    Karl Dragoch war verblüfft über eine solche Schlauheit, mußte sich aber den Tatsachen fügen, da die Banditen sich auf der weitern Talfahrt durch mancherlei Vergehen in Erinnerung brachten.
    Das konnte nur zu dem Entschlusse führen, sich möglichst zu beeilen. Ort und Datum des letztgemeldeten Diebstahls zeigten, daß dessen Urheber der Jolle noch dreihundert Kilometer voraus waren. Berücksichtigte man nun die

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