Der Piratenlord
nicht mit uns mit?“ fragte Petey.
„Gleich. Ich möchte mich hier noch ein wenig umsehen.“
In Wahrheit konnte sie Gideon noch nicht unter die Augen treten. Ihr schwindelte noch immer von seinem Geständnis heute Morgen - dass er auf eine Nacht mit Queenie verzichtet habe, weil er sie wolle. Sie brauchte ein wenig Zeit für sich, um ihre Kräfte für die Kämpfe zu sammeln, die sie mit ihm weiterhin würde ausfechten müssen.
Doch sie hätte wissen müssen, dass Gideon ihr auch das nicht erlauben würde.
„Sie sind ein hübsches Paar, nicht wahr?“ sagte wenig später eine raue Männerstimme hinter ihr und erschreckte sie fast zu Tode.
„Was?“ Als sie herumwirbelte, duckte sich der Mann, über den sie gerade nachgedacht hatte, unter die tief hängenden Zweige einer knorrigen Eiche und trat auf die Lichtung hinaus.
Ihr Herz begann, heftig zu schlagen. Wie lange war er schon da gewesen? Wie viel hatte er gehört? Wusste er, was sie und Petey planten?
„Welches . . . Paar ist hübsch?“ brachte sie stockend hervor, um Zeit zu gewinnen, während sie ihn forschend anblickte.
Doch wie immer konnte er seine Gedanken hervorragend verbergen. „Ann Morris und Petey natürlich.“ Gideon lehnte sich gegen die Eiche und wirkte aufreizend selbstsicher. „Ich habe sie gerade zum Fluss laufen sehen.“
Sie schaute auf die Stelle, von der Ann und Petey verschwunden waren. Oh, wie sehnlich wünschte sie sich, mit ihnen fortgegangen zu sein. „Nun ja . . . Ann und Petey sind gute Freunde. Er behandelt sie wie eine kleine Schwester und kümmert sich ein bisschen um sie.“
Gideon stieß sich von der Eiche ab. „So, wie er sich auch um Sie kümmert?“
„Ja natürlich“, sprudelte Sara heraus und korrigierte sich gleich wieder. „Nein, ich meine, nicht genauso. Seine Gefühle für sie sind eher . . . eher brüderlich.“
„Brüderlich?“ Gideon kam auf dem mit Laub und Reisig bedeckten Waldboden fast lautlos näher. Seine Stimme klang skeptisch. „Schade, dass sie ihm gegenüber ganz andere Empfindungen hat. . . weniger schwesterliche.“
Sara warf ihm einen schnellen Blick zu. Woher wusste er das?
„Ann verehrt Hargraves ja geradezu. Jedenfalls sagte sie mir das vorgestern Abend. Ich hatte sogar den Eindruck, dass sie hoffte, ihn für sich gewinnen zu können. Es muss ihr das Herz brechen, ihn mit Ihnen zusammen zu sehen.“
Sie durfte nicht zulassen, dass er die Wahrheit erahnte! „Dann haben Sie Ann wohl missverstanden. Für sie ist Petey wirklich nur wie ein Bruder.“
„Warum hat er dann Ann zum Strand begleitet und nicht Sie?“
Sara fühlte sich immer unbehaglicher. „Ich wollte allein sein.“ Das stimmte wenigstens. „Nachdem ich so lange mit so vielen anderen Menschen auf dem Schiff eingesperrt war, verspürte ich einfach den Wunsch, für mich zu sein.“
Als sie ihn wieder ansah, war er abgelenkt. Sein Blick konzentrierte sich auf etwas, das er über ihrer rechten Schulter entdeckt hatte.
„Was ist los?“ fragte sie und wollte sich umdrehen.
„Nicht bewegen!“ befahl er leise, aber so eindringlich, dass sie sofort gehorchte. Und er schob seine rechte Hand langsam zum Heft seines Säbels.
Sie sprach so leise wie er. „Sagen Sie mir, was los ist, Gideon.“
Ganz kurz sah er sie an. „Eine schwarze Mamba hängt im Baum hinter Ihnen. Das ist eine Giftschlange.“
„W . . . wie nah?“
„Nah genug.“ Langsam streckte er Sara die linke Hand entgegen. „Nehmen Sie meine Hand, aber ganz vorsichtig, Sara.“
Schweiß bildete sich auf ihrer Stirn, als sie die Hand hob. Leise raschelten die Blätter im Wind.
„Gut so“, sagte Gideon aufmunternd. „Sie interessiert sich gerade nicht für uns.“ Behutsam zog er seinen Säbel heraus. Sie zitterte heftig. „Was wollen Sie tun?“
„Ihr den Kopf abschlagen.“
„Und wenn Sie sie verfehlen?“
„Beten Sie lieber darum, dass ich sie nicht verfehle.“
Dann berührten sich ihre Hände, und er fasste fest zu. Danach geschah alles ganz schnell. Mit der linken Hand riss Gideon Sara zu sich, während er mit der rechten den Säbel in Richtung Baum durch die Luft sausen ließ. Als Sara auf ihn zu wirbelte, sah sie gerade noch den dunklen erhobenen Schlangenkopf. Dann jagte die Klinge zischend durch die Luft. Schon im nächsten Moment hatte die Säbelklinge den Schlangenkopf sauber vom Körper getrennt, und beide Teile fielen zu Boden.
Als sie sah, wie sich der Schlangenkörper nur ein paar Zentimeter von ihnen entfernt wild
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