Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders

Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders

Titel: Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klester Cavalcanti
Vom Netzwerk:
würde, aber er hatte auch Angst davor, der Kommunist könnte tot sein, wenn er zurückkäme. Nicht, dass seine Anwesenheit dies verhindert hätte. Doch nicht zu wissen, was geschah, war eine schreckliche Vorstellung. Seiner Meinung nach sagte der Mann die Wahrheit.
    Aber er war nicht hier, um zu denken. Er nahm die Flinte und machte sich auf die Jagd. Die letzten Sonnenstrahlen des Tages drangen kaum mehr durch die Baumkronen, und Júlio ahnte, dass es trotz seiner Erfahrung schwierig werden würde, eine Beute auszumachen. Zu dieser Tageszeit waren die meisten Tiere schon in ihren Verstecken oder schliefen hoch oben in den Bäumen. Da entdeckte er ein Faultier, das sich an einen Ast klammerte. Er mochte zwar kein Faultierfleisch, doch konnte er es sich nicht leisten, wählerisch zu sein. Als er beim Näherkommen sah, dass das Tier ein Junges auf dem Rücken trug, entschied er sich anders.
    Er pirschte weiter und erblickte etwa fünfzehn Meter über sich einen Klammeraffen auf einem Ast. Er traf ihn direkt in den Kopf. Der Schuss zerriss die Stille des Urwalds, ein Schwarm Aras flog auf. Júlio nahm den Affen und kehrte zur Truppe zurück. Während der Jagd hatte er ständig daran denken müssen, was wohl in der Hütte vor sich ging. Welche Torturen musste der Kommunist ertragen? Oder hatte der Offizier die Geduld verloren und ihn töten lassen? Es dämmerte, als er bei der Hütte ankam. Genoino lag gefesselt und offensichtlich bewusstlos im Freien. Carlos Marra und die Männer ruhten sich am Lagerfeuer aus, das Emanuel gerade entfacht hatte.
    Júlio legte den Affen neben das Feuer auf den Boden. »Hier, unser Essen«, sagte er. Jeder von ihnen hatte schon einmal Affe gegessen, aber keiner wollte das Tier ausnehmen. »Wenn man ihm das Fell und die Haut abgezogen hat, sieht er aus wie ein Baby. Tut einem verdammt leid«, sagte Marra. Also ging Júlio zum nahegelegenen Fluss und machte sich an die Arbeit. Dabei hielt er den Affen ins Wasser und zog mit einem Buschmesser die Haut über den Bauch bis zum Kopf ab. Carlos Marra hatte recht. Ohne Haut und Fell sah das Tier einem Neugeborenen tatsächlich ähnlich, vor allem wegen der hellen, irgendwie rosafarbenen Haut und wegen der kleinen Ärmchen und Beinchen. Er trennte Kopf und Pfoten ab, entnahm die Gedärme und wusch und schabte das Tier sorgfältig ab. Zurück bei der Hütte reichte er den Affen Tonho, der das Tier zerteilte und mit Zitrone und grobkörnigem Salz würzte, bevor er es briet. Das Fleisch war zart, doch alle beschwerten sich darüber, dass Tonho es versalzen hatte. Als der Hund den Geruch witterte und zum Feuer kam, warf Marra ihm ein großes Stück Fleisch hin.
    »Geben wir dem Kommunisten auch von dem Fleisch, Delegado?«, fragte Ricardo, als alle satt zu sein schienen. Ricardos Besorgnis verwunderte Júlio.
    »Nichts da! Lass den Kerl hungern. Niemand hat ihn gezwungen, ein Schurke zu sein«, antwortete Carlos Marra.
    »Kann ich dann die Reste haben?«, fragte Ricardo und ließ seine wahren Beweggründe erkennen.
    »Nein, der Rest ist für morgen. Wer weiß, wann der Helikopter kommt, vielleicht morgen, vielleicht aber auch erst in zwei oder drei Tagen. Ich kann mit meinen starken Schmerzen nicht noch einmal stundenlang durch den Wald laufen.«
    Júlio hörte genau hin und dachte insgeheim, dass er lieber eine Woche durch den Urwald laufen würde, als fünf Minuten in einem Helikopter oder irgendeinem anderen Ungetüm zu verbringen, das in der Luft schwebte. Nach dem Essen saßen sie um das Lagerfeuer und unterhielten sich über das Übliche: Guerilla, Frauen und Fußball. Die Männer erzählten von ihren Abenteuern in Vietnam , einer unbefestigten Straße von Xambioá, wo die Bordelle standen. Den Namen hatte sie von den ständigen Streitereien dort, ausgelöst durch Alkohol oder Geld. Als er ihren sexuellen Abenteuern mit den Huren von Vietnam lauschte, musste Júlio an Ritinha denken. Beinahe hätte er davon erzählt, wie schön es gewesen war, als er eine Woche vor der Abreise zum Araguaia mit ihr Sex hatte, aber dann sprach er doch lieber nicht davon.
    Einer nach dem anderen gingen sie im Fluss baden. Gegen acht Uhr abends wollten sie gerade die Hängematten zum Schlafen aufspannen, als Marra vom Feuer aufstand und sich hinkend zur Hütte aufmachte. Er hatte noch kein Hemd übergezogen, weshalb sein Leib noch mächtiger aussah als sonst. Er setzte sich auf die Holzbank und legte die verschränkten Arme auf dem Bauch ab. Dann verkündete er,

Weitere Kostenlose Bücher