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Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders

Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders

Titel: Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klester Cavalcanti
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hörte, wie sich Ricardo und Emanuel über die schöne Sicht auf den Urwald ausließen, fand er es sogar schade, dass er sich unterwegs nicht getraut hatte, die Augen aufzumachen.
    Es folgten zwei weitere Tage, an denen Genoino in der Polizeistation verhört und gefoltert wurde, aber der Gefangene stritt weiterhin alles ab. Die im Wald vorgefundenen Beweismittel und die Aussagen der Bevölkerung, die Genoino als Mitglied der Bewegung identifizierten, führten dazu, dass man den angeblichen Guerillakämpfer, dessen Identität weiter unbekannt war, in die Hauptstadt Brasília überführte.
    Am 22. April 1972 wurde er mit einem Militärflugzeug des Typs Buffalo ins Verhörzentrum von Brasília, das berüchtigte PIC, gebracht. Man wies seine Identität nach, und in der Tat war José Genoino Neto Mitglied der Kommunistischen Partei Brasiliens (PCdoB). Aus der Tatsache, dass er schon einmal, im Oktober 1968, wegen seiner politischen Tätigkeit in Ibiúna im Landesinneren von São Paulo im Gefängnis gewesen war, schloss man, dass er einer der Anführer des Guerillakriegs vom Araguaia sein musste. Einen Monat später wurde er wieder nach Xambioá zurückgebracht, wo man ihn in der auf dem Fußballfeld provisorisch eingerichteten Militärbasis gefangen hielt. Nach weiteren zwei Wochen Folter – hauptsächlich mit Schlägen und Elektroschocks – und Verhören wurde der Kommunist nach Brasília zurückgeschickt. Im Januar 1973 überstellte man ihn in ein Militärgefängnis in São Paulo. Erst am 18. April 1977 erlangte er schließlich seine Freiheit wieder, genau fünf Jahre, nachdem er von Júlio Santana in den Wäldern vom Araguaia angeschossen worden war. Aus dem Gefängnis entlassen, nahm José Genoino seine Tätigkeit als Geschichtsprofessor wieder auf. Fünf weitere Jahre später erhielt er achtundfünfzigtausend Stimmen als Parlamentsabgeordneter der PT für São Paulo und wurde 1998 mit dem Rekordergebnis von dreihunderttausend Stimmen wiedergewählt. Erst um diese Zeit erfuhr Júlio Santana, dass der Mann, den er im April 1972 angeschossen hatte, zu einem einflussreichen Politiker geworden war. In einer Fernsehreportage über das bekannte Mitglied der Partei der Werktätigen sah er ein Foto des im Araguaia gefangen genommenen Genoino. Begegnet sind sich die beiden nie wieder.
    1   Die nach dem 20. Parteitag der KPdSU von der brasilianischen Kommunistischen Partei (PCB) abgespaltene Kommunistische Partei Brasiliens (PCdoB) war federführend bei der Guerilla am Araguaia. Die größere, moskautreue PCB lehnte den bewaffneten Kampf gegen die Diktatur ab. [Anm. d. Übers.]

DER ZWEITE TOTE
    Júlio konnte nicht schlafen. Das Bett, in das er mit seinen einen Meter sechsundsiebzig kaum hineinpasste, kam ihm noch schmaler und unbequemer vor, als es ohnehin schon war. Die Szene, die er am Nachmittag gesehen hatte, ging ihm nicht aus dem Kopf. Kurz nach dem Mittagessen hatten Soldaten und Fallschirmjäger der brasilianischen Luftwaffe in der Nähe der Militärbasis von Xambioá einen mageren Jugendlichen mit dunklen Augen kopfüber an einen Baum gehängt. Der Kopf des Toten baumelte kaum mehr als einen Meter über dem Boden. Zehn oder zwölf Soldaten verspotteten und beschimpften ihn, traten ihn ins Gesicht und in den Nacken. Er baumelte hin und her wie ein Sack. Die Tritte hinterließen tiefe Wunden in seinem Gesicht. Sein linkes Auge war so geschwollen, dass es wie ein roter Ball aussah. Die Leute auf der Straße gingen vorüber und warfen verängstigte Blicke. Weder Júlio noch die Einheimischen wussten, wer der arme Kerl war, doch sie hielten ihn für einen Guerillero.
    Sie hatten recht. Wie Júlio später von Carlos Marra erfahren sollte, war es die Leiche von Bergson Faria aus Ceará, vierundzwanzig Jahre alt und Mitglied der PCdoB. Faria war am Morgen dieses 8. Mai 1972 von Soldaten der Luftwaffe in den Wäldern des Araguaia festgenommen und getötet worden. Es war die misshandelte Leiche des jungen Kommunisten, die Júlio nicht schlafen ließ. Noch mehrmals erwachte er in dieser Nacht, schweißgebadet und schwer atmend, nicht wegen der drückenden Hitze, sondern wegen der Albträume, die ihm der vom Baum herunterbaumelnde Tote verursachte. Er ertrug sie nicht mehr, diese Folterungen, wie die von José Genoino oder die sinnlose Gewalt gegen den toten Körper von Bergson Faria. Er wollte zurück in die Ruhe seines Dorfes am Ufer des Rio Tocantins, in Porto Franco. Vor allem wollte er zurück in die Arme von Ritinha.

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