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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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konnten mit ihrer Arbeit anfangen. Erst der eine, dann der andere, kamen sie zum Ufer herunter und erklommen, mit einem der schweren Oszillographen bepackt, wieder die steile Uferböschung, um im Labyrinth der zersplitterten Felsen zu verschwinden. Nach vier Stunden übernahm Rainer den Beobachtungspunkt, und Lao Tsu und Tarland begaben sich ins Gelände, Soltyk, der mit dem Motorboot zur Rakete zurückkehrte, berichtete, daß das starke Dröhnen der Ströme in der Nähe der weißen Kugel die Radioverbindung störe. Daraufhin wurden diejenigen, die an Land arbeiteten, mit Leuchtpistolen ausgerüstet, um sich jederzeit mit dem Beobachter am Gravimeter verständigen zu können, falls das Radio versagte. Um sechs Uhr nachmittags waren alle Meßgeräte aufgestellt und bildeten nun rund um die weiße Kugel einen Ring von nahezu anderthalb Kilometer Umfang. Man mußte die Geräte alle zwei Stunden abgehen, die mit den Aufzeichnungen belichteten Filme herausnehmen und durch frische ersetzen. Um acht holten Oswatitsch und ich die ersten Filmrollen an Bord. Dann fuhren Rainer und Soltyk zur Bucht. Auch sie erledigten ihre Aufgabe reibungslos und brachten die zweite Filmserie zum „Kosmokrator“. Arsenjew hielt sich, wenn er nicht mit Chandrasekar beim Marax war, am Oberdeck der Rakete auf und überwachte dort die Aufgaben des Hauptgravimeters. Die zehnte Stunde der Erdennacht brach an. Durch einen Vorhang zarter Federwölkchen blinzelte die Sonne, und das Wasser des Sees war so unbewegt und still, daß man im Innern der Rakete auch nicht das geringste Schwanken spürte. Als die Reihe wieder an mich und Oswatitsch kam, hing zwischen den Spitzen der Kieselnadeln, oberhalb der weißen Kugel, die vom See aus unsichtbar war, eine flatternde, trübe Dunstwolke wie eine im Entstehen begriffene Trombe. Lao Tsu, der sich um diese Zeit auf dem Beobachtungspunkt befand, warnte uns – wir waren bereits gelandet – durch ein Signal von drei roten und einer Rauchrakete. Es hatte den Anschein, als erwachte die Kugel zu erneuter Tätigkeit. Vom See her kamen immer heftigere Windstöße, und die Temperatur der Uferfelsen erhöhte sich innerhalb weniger Minuten um zwanzig Grad. Gleichzeitig machte das Dröhnen der unterirdischen Ströme jede Verständigung durch das Radio auf Entfernungen von mehr als einigen Metern unmöglich. Die Intensität des Feldes wuchs in kleinen Sprüngen an, wurde aber dann wieder konstant. Der Physiker signalisierte uns, daß wir weitergehen könnten. Wir erstiegen die Felsrippe. Am Fuße ihrer höchsten Erhebung stand unter einem kleinen Segeltuchzelt der erste Apparat. Wir wechselten die Filme aus, was einige Minuten in Anspruch nahm, und setzten unseren Weg fort. Von der Erhebung aus konnte man einen großen Raum überblicken. Die Luft war außerordentlich klar und durchsichtig. Nur die fernsten Berggipfel waren in zarte Nebelschleier gehüllt. Plötzlich blieb ich stehen. Dort unten – die rissige Steinfläche mit den Felsnadeln, Sandhügeln und geborstenen Felsplatten war leer!
    „Oswatitsch, sieh nur!“ rief ich. „Die weiße Kugel ist verschwunden!“ Oswatitsch schaute hinüber. „Zum Teufel, was ist das?“
    „Das ist doch … warte mal“, sagte ich. „Ich erinnere mich genau, daß diese große Platte unter den drei Nadeln früher rechts von der Kugel war und der kleine Felskegel links von ihr, und nun liegt die Platte neben den Kegeln … Nicht mal ein Zwischenraum ist mehr vorhanden … Wo hat denn da eigentlich vorher die Kugel gelegen? Selbst wenn sie im Boden versunken wäre, so müßte doch eine Grube, ein Loch, ein leerer Platz dasein!“
    Wir starrten uns ratlos an. „Was nun?“ fragte ich. Wir wandten uns nach dem Berghang um, wo sich das Zelt des Gravimeters, nicht größer als ein Streichholzköpfchen, von dem grauen Grund abhob. Ich versuchte, den Physiker durch das Radio anzurufen, hörte aber nur ein starkes Knattern. Daher schoß ich eine weiße und zwei Rauchraketen ab, was nach dem vereinbarten Schlüssel bedeutete: Können wir weitergehen? Geraume Zeit verstrich, ehe sich in der Ferne ein grüner Stern in die Luft erhob und, vom Wind über den See getrieben, langsam in die Tiefe sank. „Alles in Ordnung!“ stellte Oswatitsch fest. Wir drehten uns um und stießen beide zugleich einen Ruf des Staunens und der Verwunderung aus. Als riesige, helle Kuppel, von einem breiten, leeren Streifen umgeben, ruhte die weiße Kuppel genau wie vorher inmitten der Felsblöcke. „Das war

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