Der Planet des Todes
war bisher nicht zu sehen gewesen; die weiße Kugel hatte sie verdeckt. Mir war zumute wie einem Boxer, der sich nach einem schweren Kinnhaken von den Brettern erhebt. Ich wollte Oswatitsch zu Hilfe eilen, wollte die Gefahr packen, die ihn bedrohte; aber es war nichts vorhanden, weder Oswatitsch noch irgendeine sichtbare, erkennbare Gefahr. Zum Zeichen, daß sich ein Unglücksfall ereignet hatte, schoß ich eine rote Rakete ab. Dann setzte ich mich auf den Rand der silberglänzenden Felsplatte und beobachtete ungeduldig, wie zwei dunkle Punkte auftauchten, langsam den Geröllhang hinaufkrochen und sich allmählich näherten. Es waren zwei Gestalten in Skaphandern. Ich sah nun, wie sie hasteten, um heranzukommen. Wo es das Gelände nur zuließ, rannten sie. Endlich verschwanden sie hinter den Kieselnadeln. Nach vierzig Minuten qualvollen Wartens waren sie bei mir: Lao Tsu und Soltyk. Als sie hörten, was geschehen war, sprang Soltyk an den Rand der Felsplatte und rief, so laut er konnte: „Oswatitsch! Jan! Jan!“ „Das hat keinen Zweck“, sagte ich. „Er ist nirgends hingegangen. Hier ist die Spur seines Schuhnagels,“
Soltyk bückte sich und betrachtete den Felsen. Über die blitzende Oberfläche zog sich schräg eine weißliche Schramme. Sonst nichts.
„Er ist hier fester aufgetreten“, erklärte ich, „und hat dabei den Stein geritzt. Anders kann es nicht sein.“
„Wo ist er also hin?“ Soltyk war aufs äußerste erregt. Ich zuckte die Schultern. Lao Tsu war ein wenig höher geklettert. Ohne den Feldstecher vom Fenster des Helmes zu nehmen, fragte er: „Wer von Ihnen trägt die belichteten Filme?“
„Ich.“
„Haben Sie sie im Rucksack?“
„Ja.“
„Haben Sie den Film im zehnten Gerät ausgewechselt?“
„Nein. Oswatitsch wollte gerade dorthin, um sie zu wechseln.“
„Gut.“
Der Physiker stieg von der Felsplatte herunter und ging auf das Zelt zu, das einige Dutzend Schritte tiefer unter dem Felsen grün hervorschimmerte. Soltyk lief inzwischen zu der Nische hinüber.
„Um des Himmels willen!“ murmelte er und drehte sich nach allen Seiten. „Was soll das bedeuten? Hier hat er also gestanden?“ fragte er mich noch einmal.
„Ja, dort.“
„Kommen Sie!“ sagte er. „Wir durchsuchen jetzt systematisch die ganze verfluchte Gegend!“
Ich blickte zu ihm hinüber. Er hob gerade die runden, schwarzen Steine hoch. Wäre nicht die Situation so tragisch gewesen, so hätte sein Beginnen einfach lächerlich gewirkt. Lao Tsu rief mich. Ich ging hinunter und bemerkte, daß der Chinese ganz sonderbar dastand, schräg geneigt, als würde er jeden Augenblick das Gleichgewicht verlieren. Dabei stand er ganz fest auf den Füßen. Ich wollte ihn fragen, was das bedeute; denn ich spürte, daß ich mich genauso schräg hielt.
„Professor“, rief ich, „sehen Sie nur, wie wir … was ist denn das?“
„Wir haben keine Zeit zu Erklärungen.“ Er gab mir die Filmrolle, die er aus dem Apparat genommen hatte, und schlug die Klappe zu. „So, nun noch der letzte Oszillograph, hinter dem Felsen. Halten Sie bitte!“ sagte er und reichte mir sein Meßgerät, Soltyk trat zu uns. Er blieb stehen, sah uns eine Weile schweigend an, dann fragte er mit bebender Stimme: „Professor, was tun Sie? Jetzt denken Sie an Filme … an Filme?“ Lao Tsu antwortete nicht. Er wußte ebensogut wie ich, daß man in diesem Augenblick von Soltyk keine Hilfe bei der Arbeit verlangen konnte. Der Professor entfernte sich. Ich schaute Soltyk an. Der böige Wind zerrte an den Falten seiner etwas zu weiten Schutzkleidung. Starr blickte der Ingenieur auf die Felsplatte, auf der ich Oswatitsch zuletzt gesehen hatte. Lao Tsu kehrte bereits nach wenigen Minuten zurück.
Er drückte mir die Filmrolle in die Hand. „Gehen Sie schleunigst zum Ufer und fahren Sie mit dem Motorboot zur Rakete. Professor Chandrasekar wartet auf die Filme. Es eilt sehr.“
„Und … Sie?“ fragte ich.
„Wir bleiben hier.“
„Werden Sie ihn suchen?“
„Gehen Sie, bitte!“ sagte Lao Tsu. Seine sanfte Stimme hatte einen stahlharten Unterton. Ich lief, so schnell ich konnte, und verlangsamte nicht einmal dort das Tempo, wo die Steine lose übereinanderlagen und bei jeder Berührung ins Gleiten kamen. Ein unbestimmtes fernes Brausen war in der Luft. Durch die Kombination hindurch fühlte ich die heißen Windstöße. Von der Oberfläche des Sees, der hinter einer langen Sandbank hervorblickte, stiegen träge Dampfwolken auf.
Während des
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