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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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mitkommen ans Ufer, nicht wahr, Professor?“
    „Ja, ich wollte. Wir haben eben beide recht … So ist es im Leben … und deshalb ist es schwieriger als die Mathematik.“ Er berührte eine, dann eine zweite Taste. Grünschillernde Schlangen wanden sich über die Schirme, begannen zu zittern, sich zu spalten, zu wirbeln. Das dumpfe Brummen der Ströme wurde lauter. Ich schlich mich hinaus.
    Um drei Uhr, nachdem das Unwetter aufgehört hatte, wasserten wir. Die Uferfelsen waren dunkel vor Nässe. Noch immer fiel feiner Regen, und Dutzende kleiner Bäche rauschten über die steinigen Hänge und verwandelten sich, von senkrechten Schwellen stürzend, in Wasserfälle. Die weiße Kugel blieb unsichtbar auch dann, als der Wind den Nebel zerstreute. Ein Wald von Kieselnadeln, die aus dem Wasser und den Geröllhalden am Ufer emporragten, verbarg sie vor unseren Blicken. Die Berge tauchten auf und verschwanden wieder in den Wolken, wie verwischt von dem Dampf, der in weißen Säulen in die Luft stieg. Das Motorboot pendelte zwischen der Rakete und der Bucht. Wir brachten Apparate, Akkumulatoren, Kabelrollen, Zug- und Hebevorrichtungen und stählerne Konstruktionsteile an Land, aus denen an der Bucht ein kleiner Anlegeplatz montiert wurde. Dadurch sollte das Ausladen größerer Lasten erleichtert werden. Als diese vorbereitenden Arbeiten beendet waren, machten Oswatitsch und ich uns auf den Weg, um die weiße Kugel auf der Suche nach den unterirdischen Leitungen zu umkreisen. Wir bedienten uns dabei der Induktionsapparate. Das Echo des ersten Rohres konnten wir unter einer breiten Felsrippe oberhalb der Bucht ausmachen. Es war die Leitung, die nach Südosten durch die Schlucht, den Krater und die Hochebene zum Talkessel des Sees mit dem eisernen Ufer führte. Wir kennzeichneten diese Stelle durch eine rasch aufgeschichtete Steinpyramide und gingen weiter. Obwohl ununterbrochen feiner Regen herabrieselte, blieb der felsige Boden trocken. Er mußte sehr heiß sein; denn sowie die Tropfen darauffielen, verdampften sie. Alle Schründe und Sprünge im Gestein waren von angewehtem Sand ausgefüllt. Er war hart und grobkörnig. Bei einem Windstoß war das ganze Geröllfeld von einer einzigen Staubwolke bedeckt.
    Als wir von der Bodenerhebung zum Ufer hinabstiegen, verloren wir die weiße Kugel wieder aus den Augen. Sie mußte sich hinter den Kieselnadeln befinden. Einige dieser Nadeln erreichten eine Höhe von dreißig Metern. Ihre dicken, glatten Säulen ragten zwischen heimtückischen Felsstücken auf, die trotz ihrer Größe und Schwere wacklig waren und manchmal wie ungesicherte Falltüren unter den Schritten nachgaben. Der Reihe nach bezeichneten wir die Punkte, wo über den Rohren die Oszillographen aufgestellt werden sollten.
    Der Regen versiegte, und hier und da öffneten sich grüne Fenster, zwischen den Wolken. Die Luft wurde immer klarer. Schließlich fegte der Wind die Nebelschwaden auch von der Oberfläche des Sees und ließ die Hänge des Talkessels hervortreten. Etwa einen Kilometer von der Bucht entfernt, zeichnete sich am gegenüberliegenden Ufer ein grünes Fleckchen von dem Grau der Felstrümmer ab: das Zelt des Beobachtungspunktes, von dem aus Lao Tsu die Fortschritte unserer Arbeit verfolgte. Nachdem wir die letzte Steinpyramide errichtet hatten – dort, wo das elfte Rohr unter einem Geröllfeld verlief –, kehrten wir zur Rakete zurück. Als nächste gingen Soltyk und Rainer an Land.
    Das Wetter besserte sich zusehends. Blendendweiße Wolken zogen über den Himmel, der im reinsten Grün erstrahlte. Immer wieder tauchte die Sonne zwischen ihnen auf, und dann schien es, als dehnte und streckte sich die ganze Landschaft wohlig unter ihrem Glanz. An den vergoldeten Felsen schimmerten wie blaue Bänder die Rinnen und Kamine. Das Licht war so stark, daß man die Felstrümmer am anderen Ufer des Sees mit freiem Auge zählen konnte.
    Durch das große Stativfernrohr beobachteten wir vom Rücken der Rakete aus, wie Soltyk und Rainer die Bucht erreichten, anlegten und zu der Bodenerhebung emporstiegen. Unterhalb der Felsrippe hielt Lao Tsu sie an und gab ihnen bekannt, daß das Gravimeter erneute Schwankungen der Feldstärke anzeigte. Im gleichen Augenblick begann es über dem Ufer wie gebogenes Glas zu flimmern. Flache Regenbogen hingen in der Luft und schwammen auf dem Wasser. Die Umrisse der fernen Felsen zitterten wie eine lichtumsäumte, flackernde Flamme. Nach einiger Zeit beruhigte sich alles, und die Gefährten

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