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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Flügeln eines Riesenbaues, der bis in die Wolken zu reichen schien. In der Tiefe leuchteten wahre Fackelzüge hoher und niedriger Lichter. Die Umrisse der Gebäude neben uns flossen immer mehr ineinander. Einige waren sonderbar verbeult, verkrümmt und aufgebläht, von den Wänden anderer hingen zur Seite gerollte, zu Röhren, zu Hörnern zusammengedrehte Platten der leuchtenden Masse herab, die noch als feinstzermahlener Staub Licht ausstrahlte. Sogar die eilig um ihre Achse wirbelnden Raupen unseres Wagens begannen von diesem Staub zu flimmern.
    Während der endlosen Fahrt überkam mich zuweilen die Vorstellung, daß alles das, was ich bis jetzt gesehen hatte, nichts sei als eine unerklärliche Anhäufung vielfältig gestalteter Mineralformen, durch ganze Epochen hindurch gewachsene Ablagerungen, Schichten gigantischer Kristalle, von vulkanischem Feuer geschmolzen, gesprungen und in den Orkanen der Wüste verwittert; aber dann zeigte sich unter den Trümmern wieder ein Stück Pflaster, glatt, wie geschliffenes Glas, oder es huschte an einer Ecke der Stumpf eines Rohres mit deutlichen Spuren von Schweißung auf der gewölbten Oberfläche vorüber – unleugbare Beweise der Arbeit irgendwelcher Lebewesen –, und ich öffnete die Augen noch weiter und preßte den Helm noch dichter an die Scheibe, um endlich wenigstens einen Bewohner dieser schweigenden, prächtig erleuchteten Stadt zu Gesicht zu bekommen.
    Immer grotesker, immer unheimlicher wurden die Formen, an denen wir vorüberfuhren. Inmitten glühender Platten wanden sich dunkle Knäuel wie zerfetzte Fühler, wie Schlangen herab; es waren zerrissene Kabel. Als die Straße die dunkle Silhouette einer Brücke durchquerte, war es mir, als lägen neben ihren Pfeilern riesige Tierleiber, auf denen sich das Licht, silbern leuchtend wie auf dem Rücken großer Fische, spiegelte … Aus der Nähe gesehen, waren es herabhängende Konstruktionsteile und unter ihnen zu Stößen angehäufte, lange, flachgedrückte Spindeln, von verbogenen, durcheinandergewirrten spiralförmigen Halskrausen umgeben. Unter der Ruine dieser Brücke versanken wir für eine Weile in vollständiges Dunkel, in das die Scheinwerfer zwei gelbe Gleise pflügten und aus dem wir erst hinter der Brücke wiederauftauchten. Hier war von einer Straßendecke keine Spur mehr vorhanden. Selbst der Schutt hatte sich zu einer halb glasigen, halb schlackenartigen Masse verkrustet. Immer wieder abgleitend, zermalmten die Raupen unter höllischem Knirschen die dünne Decke.
    Aus der Ferne schimmerten mächtige glatte Wände und Wälle herüber, die Gebirgszügen täuschend ähnlich waren. Um uns herum breitete sich eine Einöde aus, in der gewaltige Häuserblocks aufragten, als wären sie im Augenblick des Schmelzens in wunderlichen Windungen ineinander verflochten worden und zu Eis erstarrt – heiße Tränen einer zu Ende brennenden Riesenkerze, die herabgetropft und dann erkaltet waren. Überall starrten skelettartige Bruchstücke von Konstruktionen in die Luft. Zerrissen und zerfetzt, leuchteten sie mit ihrem braunroten Brandmalen des Rostes in dieser Wüstenei auf, wenn die Strahlen unserer Scheinwerfer sie trafen. Das Dunkel der Nacht, das in den Straßen von den hohen Lichtern der Häuser in die Höhe der Wolken vertrieben wurde, stieg hier bis zum Erdboden herab.
    Als wir einem flachen Trichter seitwärts auswichen, bewegten sich plötzlich im Scheinwerferlicht zwei gebeugte Gestalten. Ich bremste mit aller Gewalt, trat auf den Rückwärtsgang und riß den Wagen zurück. Gleichzeitig richtete ich einen der Scheinwerfer nach dieser Seite. Von dem bläulich-matten Hintergrund der Wand hoben sich die Umrisse zweier Zwerge ab. Ich verstärkte das Licht … es waren Säulenstümpfe, die zur Hälfte aus dem Schutt hervorlugten.
    Ein Stück weiter verschwanden die Gebäude wie ausgerodet. Nur in der Weite umsäumten sie als heller Ring den dunklen, leeren Raum. An der Stelle, über die wir gerade fuhren, flimmerte der ganze Boden in einem zerstreuten gedämpften Glanz. Der phosphoreszierende Emailstaub war hier mit feinem Sand und braunen Brocken vermengt, die weder aus Stein noch aus Metall bestanden. Das Fahren wurde zur Qual, zumal die ebene Fläche jetzt in niedrige, aber steile Hänge überging. Der Motor heulte, die bis zum Zerreißen gespannten Raupenbänder klirrten durchdringend, wenn sie sich, oft bis an die Achsen, in den Boden wühlten. Plötzlich brüllte der Motor wie befreit auf und riß den

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