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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Millionen Kilometern bei größter Erdferne und vierzig Millionen Kilometern bei Erdnähe.“
    Hier blickte Dr. Behrens leicht mißtrauisch zu den Sprachwissenschaftlern hinüber. Er wußte nicht recht, ob sie die astronomischen Fachausdrücke auch verstehen würden. Die ergrauten Gelehrten horten aber mit solcher Aufmerksamkeit zu, daß er befürchtete, sie durch nähere Erläuterungen zu kränken. Er fuhr also fort: „Nach dem neuesten Stand der Forschungen beträgt ein Venustag achtzehn Erdentage, das heißt, die Umdrehungsgeschwindigkeit ist achtzehnmal geringer als die der Erde. Mit den optischen Methoden war es früher unmöglich, dies festzustellen, da die eigentliche Oberfläche des Planeten nie sichtbar wird. Sie ist von einer dichtgeschlossenen Wolkendecke umhüllt. In letzter Zeit versuchte man, mit Hilfe von Teletaktoren bis zur Oberfläche der Venus vorzudringen. Den geschätzten Kollegen ist sicher bekannt, daß es sich hierbei um den neuen Typ eines Radarteleskopes handelt, das ultrakurze Radiowellen sendet. Aber auch diese Versuche mißlangen und bestätigten erneut die seinerzeitige Annahme Wildts, daß die Wolken der Venus nicht aus Wasserdampf oder sonst einer tropfbarflüssigen Substanz bestehen, sondern sich aus größeren beständigen und festen Teilchen zusammensetzen, aus Kristallen, die Strahlen sehr stark reflektieren und zerstreuen. Deshalb besitzt die Venus einen so intensiven Glanz und ist nach der Sonne und dem Mond der am hellsten leuchtende Himmelskörper. Die Atmosphäre dieses Planeten gleicht hinsichtlich ihrer Ausdehnung der Erdatmosphäre, unterscheidet sich aber von dieser in bezug auf ihre chemische Zusammensetzung grundsätzlich. Die spektroskopische Analyse stellte in der Venusatmosphäre nicht mehr als fünf Prozent der in unserer Atmosphäre vorhandenen Menge an Wasserdampf und Sauerstoff fest. Dafür bildet das Kohlendioxyd, von dem bei uns kaum 0,03 Prozent nachweisbar sind, auf der Venus den Hauptbestandteil der Atmosphäre. Es wäre nun noch die Zusammensetzung der Wolken zu erörtern, die lange Jahre hindurch ein unlösbares Rätsel war. Die Kenntnisse, die wir heute darüber besitzen, gestatten uns, anzunehmen, daß diese Wolken aus schneeflockenähnlichen Kristallen des Formaldehyds oder, besser gesagt, aus der Verbindung bestehen, die Formalin unter dem Einfluß ultravioletter Strahlen bildet. Da sich die Venus nur sehr langsam um ihre Achse dreht, entstehen zwischen der Tag- und Nachthälfte Temperaturunterschiede bis zu neunzig Grad. Sie verursachen außerordentlich starke Bewegungen in der Atmosphäre, besonders an der Tag- und Nachtgrenze, das heißt dem Gebiet, das die beschienene Halbkugel von der unbeschienenen trennt. Man kann deshalb annehmen, daß jede Morgen-und Abenddämmerung auf der Venus von ungeheuren Orkanen und Gewittern begleitet wird. Der Wind kann dort eine Stundengeschwindigkeit von zweihundertfünfzig Kilometern erreichen, eine Geschwindigkeit, der man auf der Erde nur bei den heftigsten Schneestürmen in der Nähe des Südpols begegnet. Über die Oberflächengestaltung des Planeten können wir unseren Herren Kollegen leider nichts Bestimmtes mitteilen. In letzter Zeit veröffentlichten Jellington und Schraeger eine sehr interessante Arbeit darüber. Sie nehmen an, daß die feste Rinde der Venus aus einem Stoff aufgebaut sein könnte, der hier auf der Erde ein künstliches Produkt von Menschenhand ist, aus einer plastischen Masse nämlich, die dem Galalith und Vinnolit ähnelt. Ich teile dies meinen verehrten Kollegen gewissermaßen als eine Art Kuriosum mit, denn wir besitzen keinerlei Beweise zur Unterstützung einer solchen Hypothese.“ Kaum hatte Dr. Behrens mit einer unbeholfenen Verbeugung wieder Platz genommen, als auch schon der Dozent Sturdy ums Wort bat, der vorher Arsenjew über die Möglichkeit eines Irrtums in den Berechnungen befragt hatte.
    „Der Vortrag des Herrn Dr. Behrens hat meine Vorbehalte voll und ganz bestätigt“, meinte er. „Es ist offensichtlich, daß die darin zum Ausdruck gekommenen physikalischen Bedingungen, besonders aber der Mangel an Sauerstoff und Wasser wie auch das Vorhandensein von Wolken, die aus diesem Planeten geradezu ein Formalinreservoir machen, jede Existenzmöglichkeit und somit auch das Vorhandensein lebender Wesen ausschließen. Herr Dr. Behrens, Sie sind doch der gleichen Meinung, nicht wahr?“
    Dr. Behrens nahm wieder seine Brille ab und putzte sie sorgfältig. Dann antwortete er Sturdy:

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