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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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schaffen, an dem wir die Bildung von Planetensystemen studieren können. Dieses Projekt ist bereits so weit fortgeschritten, daß man den Versuch wagen kann. Ich erwähne es deshalb, weil es klar und eindeutig die Möglichkeit beweist, einen Planeten von einem anderen aus zu vernichten. Der Pallas besitzt zwar nur einen Durchmesser von kaum vierzig Kilometern, im Gegensatz zu Venus und Erde mit zwölftausenddreihundert beziehungsweise zwölftausendsechshundert Kilometern. Während es bei der Pallas darum geht, das kleine Gestirn in Atome zu zertrümmern, käme es bei einem Planeten wie der Erde nur darauf an, jegliches Leben auszuschalten. Und dazu würde es genügen, ihn mit einer Deuteronenladung zu bestrahlen, die doppelt so groß sein müßte wie die, die wir auf den Planeten Pallas abzuschießen gedenken. Deshalb beantworten wir beide uns gestellten Fragen mit Ja.
    Die Sektion, deren Ansichten ich ausspreche, ist der Meinung, daß uns drei Wege des Handelns offenstehen. Zuerst drängte sich uns der Gedanke auf, eine Botschaft in der magnetischen Sprache des Rapports abzufassen und mit Hilfe einer ferngelenkten Rakete auf die Venus zu senden. Der Wortschatz aber, über den wir in dieser Sprache verfügen, ist leider unzureichend und erlaubt uns nicht, das auszudrücken, was wir den Bewohnern der Venus in einem solchen Dokument mitteilen müßten. Die Versuche, die in der vergangenen Nacht durchgeführt wurden, bestätigen es. Man könnte freilich die Botschaft auch in einer der irdischen Sprachen abfassen; aber es ist sehr ungewiß, ob die Bewohner der Venus versuchen würden, sie mit einem derartigen Aufwand an Sorgfalt und Mühe zu entziffern, wie wir es bei ihrem Rapport getan haben. Zweitens könnten wir das Raumschiff zur Venus entsenden, das schon seit einem Jahr Probeflüge unternimmt und bereits den Flug Erde–Mond–Erde, ohne zu landen, durchgeführt hat. Wie den verehrten Herren Kollegen bekannt ist, denke ich hierbei an den ,Kosmokrator‘, der in den ersten Monaten nächsten Jahres nach dem Mars starten soll. Es besteht noch eine dritte Möglichkeit, und zwar die, von unserer Bewatronstation bei Peking eine volle Deuteronenladung auf die Venus abzuschießen. Dieser Weg wäre natürlich der einfachste und radikalste. Unsere Sondersektion hält jedoch ein derartiges Vorgehen schon deshalb für ungerechtfertigt, weil die sogenannte Invasion der Venusbewohner auf die Erde einstweilen nur eine durch nichts bestätigte Hypothese ist.“
    Der Physiker verstummte. Einer der Gelehrten benutzte die eingetretene Pause und fragte, ob es nicht möglich wäre, zur Entscheidung dieser Kernfrage sich des Elektronenhirns zu bedienen.
    „Das ist leider nicht möglich“, antwortete Lao Tsu. „Weder das Elektronenhirn noch irgendein anderer Apparat besitzt die Fähigkeit, dürftiges Wissen in ergiebiges zu verwandeln.“
    Der Chinese senkte den Kopf. „Damit beende ich die Berichterstattung der Sondersektion.“ Er schwieg, setzte sich aber noch nicht; er blickte sich im Saal um, zwinkerte einige Male mit den Augen und sagte dann: „Als Mitglied der Übersetzungskommission wünsche ich nun, der Versammlung folgende Frage zur Abstimmung vorzulegen.“ Er blickte auf den Zettel, den er in der Hand hielt, und las: „Die Mittel, über die wir verfügen, sind so gewaltig, daß wir uns in bezug auf unsere technischen Möglichkeiten vollständig frei bewegen können. Das bedeutet, daß die Wahl unserer Abwehrmittel gegen die unbekannten Wesen durch keinerlei Bedenken materieller Art behindert ist. Daher verschiebt sie sich auf das Gebiet moralischer Wertung und Beurteilung: Sollen wir in dieser Situation als erste angreifen oder aber eine friedliche Lösung des Konflikts anstreben, selbst dann, wenn ein solches Vorgehen mit großen Schwierigkeiten oder Gefahren verbunden ist?“ Lao Tsu ließ die Hand mit dem Zettel sinken. In die Stille klang das leise Ticken des großen Chronometers, das hoch über den Köpfen der Mitglieder des Präsidiums hing.
    „Über diese Frage bitte ich abstimmen zu lassen. Ich weiß, daß wir nicht ermächtigt worden sind, einen derartigen Beschluß zu fassen; aber ich bin überzeugt, daß die Menschheit unseren Ansichten Beachtung schenken wird. Das ist alles, was ich noch zu sagen hatte.“
    Der Vorsitzende erklärte, daß das Präsidium den Bericht der Sondersektion zur Kenntnis nehme, dankte ihr für die geleistete Arbeit und stellte gleichzeitig im Verlauf der weiteren Beratungen den von

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