Der Planet des Todes
„Gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts schrieb ein hervorragender Gelehrter eine äußerst logisch aufgebaute Abhandlung, in der er ,bewies‘, daß der Mensch nie imstande sein werde, ein Flugzeug zu bauen, das schwerer sei als die Luft, und daß sich ein solches, selbst wenn seine Konstruktion gelingen sollte, niemals von der Erde loslösen könnte. Selbst dann, wenn es sich, was an sich vollkommen ausgeschlossen wäre, entgegen allen Voraussetzungen doch in die Luft erheben sollte, selbst dann bestünde keine Möglichkeit, es zu lenken. Weil ich“, so schloß Dr. Behrens, „diesem Gelehrten nicht ähneln möchte, ziehe ich es vor, dem Herrn Dozenten die Antwort auf seine Frage schuldig zu bleiben.“
„Die giftige Atmosphäre der Venus schließt doch aber jedes Leben aus“, sträubte sich Sturdy. „Anstatt sich mit Anekdoten zu beschäftigen, wäre es besser, zu den Tatsachen überzugehen! Tatsache ist, daß vor fast hundert Jahren eine Weltraumrakete auf die Erde fiel …“
„In der sich, wie Professor Chandrasekar nachwies, keine Lebewesen befanden“, unterbrach ihn sein Nachbar.
„Gut! Einverstanden! Die Rakete konnte aber nicht von der Venus stammen, denn dann müßten ja auch ihre Konstrukteure, das heißt also Lebewesen diesen Planeten bewohnen. Das ist doch selbstverständlich!“ Für eine Weile war nur das beschleunigte asthmatische Atmen des alten Biologen in allen Kopfhörern zu vernehmen. Und dann sagte Arsenjew, seine dichten Augenbrauen zusammenziehend, zum zweitenmal seit Beginn der Beratung kurz und bestimmt: „Nein.“
Er maß den verblüfften Dozenten mit einem ruhigen Blick und fügte hinzu: „Das ist nicht selbstverständlich.“ So viel Nachdruck und Sicherheit lag in Arsenjews Stimme, daß die Gelehrten vor dem Bild, das er heraufbeschwor, dem Bild einer unheimlichen Welt, in der denkende, schaffende und doch tote Wesen existierten, für Sekunden wie gelähmt erstarrten.
Der Vorsitzende, Professor Kluever, stand auf, blickte zuerst nach der einen, dann nach der anderen Seite des Saales und hob die Hand: „Verehrte Kollegen, soeben wurde der dringende Antrag gestellt, der Vollversammlung der Übersetzungskommission drei Fragen vorzulegen, über die getrennt diskutiert werden soll. Erstens: Kann man annehmen, daß die unbekannten Wesen darauf abzielen, das Leben auf der Erde zu vernichten? Zweitens: Ist unter solcher Voraussetzung anzunehmen, daß der Menschheit von dieser Seite tatsächlich Gefahr droht? Drittens: Wenn das der Fall ist, was können wir dagegen tun?“
Der Dozent Dschugadse aus der Sektion der Logiker bat ums Wort. „Ich bin der Ansicht“, führte er aus, „daß nur die erste Frage auf dem Wege einer Abstimmung entschieden werden kann, da es hier mehr um unsere, Überzeugungen als um Fakten geht. Wir kennen die Sprache des Rapports zuwenig, um voll und ganz der richtigen Auslegung des Abschnittes, in dem von einer sogenannten Invasion auf die Erde die Rede ist, sicher zu sein. Da wir die Wahrheit nicht genau kennen, sind wir auf Vermutungen angewiesen, und deshalb können wir alle unsere Meinung über dieses Thema aussprechen. Die anderen Fragen hingegen kann man nicht auf diese Weise entscheiden, genauso wie man auch nicht durch eine Abstimmung entscheiden kann, ob das Dach dieses Gebäudes aus Glas oder Metall besteht. Um dies festzustellen, müßte der Architekt gefragt werden, der es erbaut hat. Es handelt sich hier um Fakten, die nur den Spezialisten bekannt sind. Also müssen sich die Spezialisten in dieser Angelegenheit äußern.“
Der Vorschlag des Logikers wurde angenommen. Da der Saal mit einer besonderen Einrichtung ausgestattet war, ging die Abstimmung außerordentlich rasch vor sich. Jeder der Anwesenden hatte auf seinem Pult drei Knöpfe vor sich. Drückte er auf den linken, so stimmte er mit Ja, auf den rechten, mit Nein. Betätigte er den mittleren, so bedeutete dies Stimmenthaltung.
Als der Vorsitzende das Zeichen zur Abstimmung gab, streckten alle die Hand nach den Knöpfen aus, und schon nach wenigen Sekunden zeigte ein Automat das Ergebnis an. Von den sechsundsiebzig Mitgliedern der Kommission hatten achtundsechzig die erste Frage mit Ja und zwei mit Nein beantwortet. Sechs enthielten sich der Stimme. Es war eine charakteristische Tatsache, daß die Stimmenthaltungen ausnahmslos von den Logikern kamen. Die überwältigende Mehrheit vertrat demnach die Ansicht, daß der unheilvolle Abschnitt des Rapports von einer beabsichtigten
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