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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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ebenfalls erhoben hatte, seine Blicke von einem Gesicht zum anderen gleiten, erstaunt darüber, wie alle, Alte und Junge, vom gleichen Gefühl erfüllt, in diesem Moment einander ähnlich wurden. Seine Lippen bebten kaum merklich. „Ich wußte es“, flüsterte er. Dann richtete er sich hoch auf, um würdig zu sein, diesen Menschen in die Augen zu sehen, und sagte laut: „Ich danke euch, Kollegen.“
    Er drehte sich um, als suchte er hinter seinem Rücken irgend jemanden; es war aber niemand da. Nur der schwache Schimmer der schwindenden Nacht fiel durch die hohen Fenster. Der Vorsitzende trat an den Tisch zurück, schlug mit beiden Händen das große Buch zu, in dem alle, die sich zum Wort gemeldet hatten, eingetragen waren, und sagte: „Hiermit schließe ich die letzte Sitzung der Ubersetzungskommission.“ Beim Verlassen des Saales blieben die Wissenschaftler in den Gängen zwischen den Sesselreihen stehen und bildeten lebhaft diskutierende Gruppen. Um den Tisch des Präsidiums versammelten sich alle, die an der Abfassung des Berichtes teilnehmen sollten. Endlich leerte sich der große Saal; der letzte der Hinausgehenden schaltete das Licht aus.
    In das Dunkel des weiten Raumes hinein glomm die Morgenröte. Die schweren, tief herabhängenden Wolken zerstreuten sich, und am dunkelblauen Himmel begann ein weißer Funke zu leuchten, ein Stern von so reinem und starkem Glanz, daß die Fensterkreuze schwache Schatten in die Tiefe des Saales warfen und verschwommene Umrisse von leeren Sesselreihen und kleinen Tischen in der grauen Morgendämmerung sichtbar wurden. Es war die Venus, die den Sonnenaufgang anzeigte. Plötzlich glühte eine feuriggolden umsäumte Wolke auf. Der unbewegliche Funke verblaßte immer mehr, bis er im blendenden Glanz des neuen Tages verschwand.
11,2 Kilometer in der Sekunde
    Der Gedanke einer Reise nach den Sternen ist fast so alt wie das Menschengeschlecht überhaupt. Der Mensch erkühnte sich als erstes von allen Geschöpfen, den Blick emporzuheben und in das unermeßlich schwarze Feld zu schauen, das sich jede Nacht über die Erde breitet. Schon in den ältesten Mythen und Sagen finden wir Schilderungen fliegender Feuerwagen und der Helden, die sie lenkten. Die Menschen bemühten sich zwar, das von den Vögeln beherrschte Geheimnis des Fliegens zu ergründen, doch es vergingen noch viele Jahrhunderte, bevor zum erstenmal ein Fluggerät aufstieg. Es war der noch wehrlos den Winden preisgegebene Heißluftballon der Brüder Montgolfier.
    Im achtzehnten Jahrhundert schrieben verschiedene Philosophen moralisierende Erzählungen, in denen sie ihre Helden eine Ballonreise nach den Sternen unternehmen ließen. Aber auch viel später noch, als bereits das schwere Flugzeug den im Verhältnis zur Luft leichteren Ballon verdrängt hatte, mußte sich der Mensch überzeugen, daß er noch weit davon entfernt war, sich wirklich frei nach allen Richtungen hin im Raum bewegen zu können. Nur da, wo eine genügend dichte Atmosphäre vorhanden war, konnten sich seine Flugapparate vom Boden erheben. Die Flugzeuge waren gezwungen, in verhältnismäßig geringen Höhen, fast noch am Boden des Luftozeans, der als zweihundert Kilometer starke Hülle unseren Planeten umgibt, über der Erdoberfläche zu kreisen.
    Erst gegen Ende des zwanzigsten Jahrhunderts wurde die Wissenschaft der interplanetaren Flüge, die Astronautik, geboren. Vorher hatten die Verfasser phantastischer Erzählungen, unter ihnen ihr berühmtester Vertreter, Jules Verne, ihre Helden in Geschossen mit Hilfe von Geschützen in den Weltraum befördert. Leider zeigt schon die oberflächlichste Berechnung die Unmöglichkeit eines solchen Unternehmens, und das gleich aus drei gewichtigen Gründen: Erstens muß der Körper, der die Erde verlassen will, eine Geschwindigkeit von mehr als 11,2 Kilometern in der Sekunde, das heißt vierzigtausenddreihundertzwanzig Kilometer in der Stunde entwickeln, während selbst die besten Explosionsmittel nur Gase mit einer Sekundengeschwindigkeit von drei Kilometern frei machen. Jedes durch ein Geschütz abgefeuerte Geschoß müßte also, wenn es eine bestimmte Höhe erreicht hat, wieder auf die Erde fallen. Hier kann weder eine Verlängerung des Laufes noch eine Vergrößerung der Sprengstoffladung helfen. – Zweitens würde die furchtbare Anfangsbeschleunigung die Insassen des Geschosses im Augenblick des Abschusses zu Tode quetschen. Um sich ein Bild von der Gewalt dieser Anfangsbeschleunigung zu machen, genügt

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