Der Planet des Todes
bringe ich ihn damit aus dem Zustand des Gleichgewichts der Elektronen. In dem Bestreben, in diesen Zustand zurückzukehren, löst der Marax sozusagen im ,Vorbeigehen‘ die Aufgabe. Die Ströme erzeugen verschiedene Kurven, die auf diesen Leuchtschirmen sichtbar werden und eigentlich die Antwort auf die gestellte Frage sind. Ihr wißt sicher, daß man jede Kurve in einer mathematischen Gleichung ausdrücken kann. Die Gleichung jener Kurve, die auf dem Schirm erscheint, ist nun die gesuchte Lösung. Der Marax löst natürlich nicht nur mathematische Probleme. Nehmen wir an, daß wir uns auf einem fremden Planeten befinden und eine bestimmte chemische Substanz benötigen, die wir nur als gasförmige Verbindung in der Atmosphäre, als Mineral oder Lösung zur Verfügung haben. Wie können wir nun auf die einfachste Art und unter geringstem Arbeitsaufwand diese Substanz rein darstellen? Nun, wir geben dem Marax alle erforderlichen Daten, und im Verlaufe einiger Minuten erhalten wir das fertige Produktionsrezept. Ich nannte euch selbstverständlich ein einfaches Beispiel. Der Marax bringt bedeutend schwierigere Dinge zuwege. Wie er das macht?
Das ist eine ganz andere Geschichte als bei mathematischen Aufgaben, wo das Wissen eigentlich nur in dem Beherrschen der mathematischen Formeln besteht. Hier dagegen kommt es darauf an, daß der Marax ein ausgezeichnetes chemisches und physikalisches Wissen besitzt, die Technologie der chemischen Prozesse kennt und selbstverständlich über unsere Mittel unterrichtet ist; denn was nützt es uns, wenn uns der Marax rät, eine Fabrik mit drei Essen zu errichten? Dieses ausgedehnte Wissen kann natürlich nur von uns hineinkonstruiert worden sein. Wie wir das fertiggebracht haben? Nun, es gibt besondere Erinnerungsorgane, sogenannte permanente Kapazitrone oder Ultrakapazitrone. Eine solche Röhre entspricht ungefähr einem sehr dicken Lehrbuch der technischen Wissenschaften. Im Marax sind etwa hunderttausend dieser Röhren eingebaut worden. Daher brauchen wir auch keine Bücher mitzunehmen.“
„Kann eine solche Röhre nicht zerstört werden?“
„Gewiß kann sie das. Aber auch ein Buch kann verbrennen. Da ist gar nichts zu machen; wir riskieren es eben. Ohne Risiko erreichen wir nie etwas. Wenn also eine Aufgabe gestellt wird, schalten sich die betreffenden Ultrakapazitrone ein und übermitteln den Stromkreisen die erforderlichen Angaben, indem sie Elektronenwolken von modulierter Geschwindigkeit ausstrahlen. So sieht unser Wissen, in die Sprache der Elektrizität übersetzt, aus. In einer knappen Sekunde gibt eine Röhre ihren gesamten Inhalt weiter, der in dieser Zeit den Primärschwingungen der Stromkreise unterliegt. Hier oben befindet sich nur das Stellwerk, die Hirnrinde gewissermaßen, während die ,weißen Nervenfäden‘ – die Abstimmer und Resonatoren, Frequenzfilter, Modulatoren und Dämpfer – den Raum unter dieser Kabine einnehmen.“ „Herr Professor … Verzeihung …“, warf einer der Jungen ein, „Sie haben doch gesagt, daß so eine Röhre ähnlich wie ein Lehrbuch ist. In einem Lehrbuch gibt es aber keine fertigen Lösungen.“
„Selbstverständlich, daß es die nicht gibt. Ihr habt mich nicht richtig verstanden. Übrigens bin ich selber schuld; denn der Vergleich mit dem Buch war etwas schief. Ich meinte natürlich den Vorrat an Wissen und nicht die Art, davon Gebrauch zu machen. Der grundsätzliche Unterschied zwischen einem Buch und dem Gehirn besteht darin, daß in einem Buch Wissen und Erkenntnisse tot und unveränderlich aneinandergereiht sind, während sie im Gehirn lebendig und plastisch sind, das heißt, ich kann sie einer konkreten Situation anpassen. Der Marax ähnelt viel mehr einem Gehirn als einer Enzyklopädie. Auch hier formt und modelt sich das Wissen je nach den Erfordernissen, da es beweglich, in Form von plastischen Stromschwingungen, aufgespeichert ist. Wie ihr wißt, lassen sich diese Schwingungen als Kurve darstellen. Wenn man zwei Kurven aufeinanderlegt, so entsteht eine dritte, die keiner von beiden ähnelt, aber die Resultierende daraus ist. Die Frage, die wir an den Marax richten, ist eine solche Kurve, die Kenntnisse, die er zu seiner Arbeit benutzt, bilden die zweite, und die resultierende Kurve ist die Lösung des Problems.“
„Genügen denn immer drei Kurven?“ erkundigte sich einer der Jungen. „Das habe ich doch auch nur zur Vereinfachung gesagt. Nicht drei oder vier, sondern Milliarden, ja Billionen Kurven sind
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