Der Planet des Todes
den elektrischen Röhren fließt der Strom innerhalb der Metalldrähte stetig. In der Zelle dagegen haben wir an Stelle eines ununterbrochenen Drahtes eine Kette von Eiweißkörperchen, auf der sich die Elektronen von einem Glied zum anderen fortbewegen. Diese Kette besteht aus Atmungsfermenten. Es sind Eiweißringe, die um ein Eisenatom aufgebaut sind, das die Elektronen viele tausendmal in der Sekunde anzieht und abstößt. Die Zelle arbeitet wie ein elektrochemischer Stromerzeuger und bildet Potentialunterschiede von vielen Tausend Volt. Millionen solcher Zellen schließen sich zu Schichten zusammen, die Schichten zu Feldern und diese wiederum zu Zentren und Projektionszonen, die durch harmonische und ultraharmonische Ströme untereinander verbunden sind. Dieses ganze schwindelerregende, vom wirbelnden, ständig wechselnden Zusammenspiel der Ströme wie mit Musik überflutete Gebäude – das ist eigentlich das, was wir Seele nennen. Dies geht in deinem Kopf vor sich, wenn du an Blumen denkst, wenn du den Himmel, die Wolken siehst … Die Ähnlichkeit des Gehirns mit dem Marax besteht nicht im Baumaterial, auch nicht in der Anordnung der Teile, sondern in den Strömen, nur in den Strömen.“
„Kann der Marax alles?“ fragte mit glühenden Wangen der Kleine, der sich vergeblich bemühte, sich am Pult hochzuziehen.
Chandrasekars dunkle Augen lächelten. „Alles kann er sicher nicht.“
„Ich wollte damit ja nur sagen … ich meine, könnte sich diese Maschine ganz allein, das heißt ohne Menschen etwas ausdenken?“
„Du willst also wissen, ob diese Maschine den Menschen einmal überflüssig machen könnte?“ Chandrasekar schüttelte den Kopf. „Niemals. Das wäre das gleiche, als ob wir keine Komponisten mehr brauchten, da wir ja Klaviere haben. Die Maschine vermag ohne uns Menschen nichts. Sie erweitert unerhört unsere Möglichkeiten, bahnt uns den Weg zur Lösung von Problemen, der sonst durch ein solches mathematisches Dschungel führen würde, daß ein ganzes Menschenleben erforderlich wäre, um sich hindurchzuarbeiten. Trotz alledem kann man nicht sagen, daß die Maschine klüger sei als der Mensch. Freilich, sie besitzt mehr Kenntnisse als irgendeiner von uns; ihr dürft aber auch nicht vergessen, daß wir als Gedächtnisorgan nicht nur unser Gehirn, sondern auch die Bibliotheken und die Foto-, Dokumenten- und andere Sammlungen zur Verfügung haben. Die Maschine ist nicht klüger als der Mensch, sie ist lediglich schneller. Und dennoch steht sie dem lebenden Hirn erheblich nach. Warum? Ich will versuchen, es euch zu erklären. Wenn die Lösung einer beliebig schwierigen Aufgabe überhaupt möglich ist, baut man eben so große Denkmaschinen, daß sie in der Lage sind, die Aufgabe zu bewältigen. Der Hauptmangel jeder Maschine besteht darin, daß sie nur die ihr gestellten Aufgaben lösen kann. Die Aufgabenstellung ist jedoch die halbe Arbeit, oft sogar ihr wichtigster Teil, wie uns die Geschichte der Wissenschaft lehrt. Das Prinzip einer Erfindung zu verstehen – sagen wir zum Beispiel das der Dampfmaschine – ist leicht, es mußte nur erst einer darauf kommen, sie zu erfinden, Eine Vakuumröhre zu nehmen und den Ruhmkorffschen Induktionsapparat und dann die Versuche Röntgens zu wiederholen – das wäre ein Kinderspiel. Aber die X-Strahlen zu entdecken, neue Erscheinungsformen zu suchen und die sie beherrschenden Gesetze zu ermitteln – darin liegt das Große, das Geheimnis des einzelnen Genies und des menschlichen Fortschritts schlechthin. Ich sagte euch bereits, daß eine dem Marax gestellte Aufgabe ihn aus dem Gleichgewicht der Ströme bringt und die Lösung ihn wieder in seine Ruhelage zurückkehren läßt. Der Mensch dagegen rastet nie. Jedes gelöste Problem läßt Dutzende neuer vor ihm erstehen. Ihr seht nun ein, daß die Maschine nicht schöpferisch denken kann. Sie vermag keinen eigenen Gedanken zu entwickeln. Das ist ihr größter Mangel.
Nachdem ich sie vor euch schlechtgemacht habe, muß ich sie nun auch verteidigen. Sie ist imstande, Dinge auszuführen, die jenseits unserer Kräfte liegen. Sie kann zum Beispiel die Erscheinungen, die im Innern einer Atomsäule, in einem Stück explodierender Materie oder im Innern eines Sternes vor sich gehen, bis ins einzelne analysieren. Ihr glaubt mir jetzt hoffentlich, daß eine solche Maschine den Menschen nicht zur Seite schiebt, sondern daß sie eine wertvolle Hilfe für ihn bedeutet.“
„Herr Professor, ist es überhaupt nicht
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