Der Planet des Todes
Geschichte an. – So, nun müssen wir aber endlich Schluß machen. Sagt mal, übernachtet ihr bei uns, oder fahrt ihr noch heute zurück?“
„Wir haben ein Nachtquartier unten, im Heim.“
„Ausgezeichnet. Da kann ich euch ja noch ein Stück begleiten. Ich habe den Himmel vierzehn Stunden lang nicht gesehen.“
Durch den dreieckigen Gang und den kleinen Schacht verließen sie die Rakete. In der Halle brodelte noch immer das hastige Tun und Treiben. Das Gerüst aus Teleskoprohren war schon von den Steuerflossen weggeschafft worden und stand nun an der Spitze des Raumschiffes. Die Jungen nahmen mit ihren Blicken von der hochragenden, wie aus Silber gegossenen Rakete Abschied. Dann fuhren sie mit dem Professor die Rolltreppe hinab in die Erde und im Waggon unter den Mauern hinweg. Die niedrigen Regenwolken hatten sich inzwischen gelockert und waren hinter den Bergen verschwunden. Durch die Risse der schmutziggrauen Nebelhülle lugte schon wieder der klare blaue Himmel.
Der Professor ging mit den Jungen die westliche Umfassungsmauer entlang. Bald blieben die hohen Türme und Essen zurück. Hier breiteten sich sanftgewellte Wiesen aus, die in der Ferne steilen Geröllhalden wichen. Das Gespräch drehte sich – wie sollte es anders sein – um die Venusexpedition.
„Ja, wir verlassen die Laboratorien“, sagte Chandrasekar. „Früher genügte mir ein Stück Papier und ein Bleistift, jetzt aber wird die Mathematik zu einer sehr bewegten Tätigkeit voller Abenteuer.“ Er erzählte den Jungen von der Venus, ihren weißen Wolken, den furchtbaren Stürmen und Zyklonen, von den geheimnisvollen Bakelitmeeren … Das alles erschreckte die Jungen keineswegs, im Gegenteil, ihre Augen leuchteten immer heller. Einer von ihnen fragte den Professor nach den rätselhaften Bewohnern der Venus, ob man nichts Neues über sie erfahren habe. Wie würde sich die Expedition ihnen gegenüber verhalten? Würde es zu einem Kampf kommen?
„Wir haben nicht die Absicht anzugreifen“, antwortete der Professor. „Selbstverständlich werden wir uns zur Wehr setzen, wenn wir dazu gezwungen sind. Auf welche Weise, fragt ihr? Unsere Atommotoren sind doch Speicher gewaltiger Explosionsstoffe. Außerdem haben wir einige Handstrahlenwerfer an Bord … sowie eine gewisse Menge von Gammexan, was ich eigentlich für überflüssig halte, na ja, Vorsicht kann nie schaden. Ihr wißt nicht, was Gammexan ist? Es ist ein neues, sehr starkes Insektenbekämpfungsmittel. Es gibt nämlich noch immer einige Gelehrte, die annehmen, daß die Venus von einer Art Insekten bewohnt sei. Ich selbst bin nicht dieser Ansicht.“
„Welcher Ansicht sind Sie denn?“
„Gar keiner. Ich kann mit reinem Gewissen die Worte von Sokrates wiederholen: ,Ich weiß, daß ich nichts weiß.‘ – Auf eure Frage werde ich euch antworten, wenn ich die Bewohner der Venus gesehen habe.“ Der schmale Pfad führte in flachen Windungen bergab und neigte sich gegen eine moosbewachsene, grünlichweiße Felsengruppe.
„Seht ihr?“ – Der Professor wies die Jungen darauf hin. „Seht ihr diese Moräne? Dahinter liegt ein See …“ Der Wind wurde stärker. Er brachte feuchte, erfrischende Kühle. Schwere Tropfen rollten zitternd von Halmen und Zweigen. Der Weg verlor sich im Gestein. Sie hatten die geborstenen Kalksteinschwellen, die aus dem Gras wie die gebleichten Rippen eines vorsintflutlichen Riesentieres hervorschimmerten, überschritten und standen nun an dem felsigen, abschüssigen Ufer des Sees. Die Berghänge ringsum schienen wie versteinerte Lawinen auf die Wasserfläche herniederzustürzen und wurden vom Wasser um einen Ton düsterer widergespiegelt. Mit jeder Minute verlor die Sonne mehr von ihrem blendenden Glanz, schwand immer tiefer hinter den zackigen Grat der Gipfel und versenkte eine Säule rubinroten Lichtes in dem finsteren Wasser. Die Vorsprünge und Überhänge der senkrechten Felswände waren schon in die Schatten der Dämmerung getaucht. Das Bild der ganzen Landschaft verblaßte, und die Umrisse lösten sich auf. Der Himmel aber begann immer kälter zu leuchten, in einem sonderbar schwermütigen, blauen Schein. Die letzten Wolken erloschen wie erkaltende, erstarrende Massen orangefarbiger Schlacke. Die Jungen standen zwischen zwei hoch aufragenden Felstrümmern wie in der Ruine eines großen Tores und blickten in die noch hellen Tiefen des Luftmeeres; alle schwiegen. Der Wind frischte auf, ließ wieder nach, und dann hörte man in der Ferne das Rauschen
Weitere Kostenlose Bücher