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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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eines unsichtbaren Wasserfalls.
    Als sie den Heimweg antraten, war es bereits dunkel geworden. Die Jungen sprachen von den Eindrücken des Tages, unterbrachen sich gegenseitig, und da sie bereits Hunger verspürten, beschleunigten sie immer mehr ihre Schritte, so daß sich der Professor bald unter den letzten befand. Er sprach wenig. Nur einmal fragte er seine Weggefährten, was sie später für einen Beruf ergreifen wollten.
    Von den fünfen, die bei ihm geblieben waren, wollte der eine Atomchemiker werden, einer Astrobiologe und die drei übrigen Piloten von Weltraumschiffen.
    „Und Mathematiker keiner?“ fragte halb im Ernst, halb im Scherz der Professor.
    „Doch, ich!“ sagte der kleinste der Jungen, der nicht von Chandrasekars Seite wich.
    „Also schon nicht mehr Astronaut? Es ist nicht gut, seine Entschlüsse so rasch zu ändern. Oder willst du mir damit nur eine Freude machen?“ Der Kleine wurde nicht verlegen. „Ich will Astronaut und Mathematiker werden, genau wie Sie“, antwortete er entschlossen.
    Chandrasekar erwiderte nichts darauf. Sie gingen nun schon wieder auf dem ebenen Weg dahin und näherten sich der Gruppe vor ihnen, so daß man verstehen konnte, worüber sie sich in den ersten Reihen unterhielten.
    „Ich habe gelesen, daß es mit den künstlichen Eiweißstoffen nicht mehr allzulange dauern wird“, erzählte der eine.
    „Ja, die Wissenschaft macht eben Fortschritte. Wenn man bloß mal so bedenkt, wie trostlos das früher gewesen sein muß.“
    „Freilich, wenn man das in den Geschichtsbüchern liest, kann man es sich kaum vorstellen.“
    „Als ich noch klein war“, erklärte der Kleine dem Professor im Ton eines Geständnisses, „da habe ich nicht geglaubt, daß sich die Völker früher gegenseitig abschlachteten. Das mit den Kriegen, das konnte ich einfach nicht begreifen. Haben denn die Menschen von damals keine Kultur gekannt?“
    „Dumm waren sie“, rief einer hitzig.
    Der Professor blieb stehen. Die vorn gingen, kehrten um in der Meinung, daß er sich von ihnen verabschieden wolle. Ganz in der Nähe funkelten die Lichter der Werftgebäude.
    „Du irrst dich, mein Junge“, sagte Chandrasekar, „und ihr anderen auch.
    Die Menschen waren damals genauso, wie wir es heute sind, die Welt war nur schlecht eingerichtet. Ihr wißt ja, wozu man die Atomenergie verwenden wollte und wie das endete. Ihr dürft aber die Menschen, die vor einem halben Jahrhundert lebten, nicht als Wilde oder Dummköpfe bezeichnen. Es war doch gerade die Zeit, da die Menschheit sich besann und die dunklen Kräfte der Gesellschaft endgültig besiegte, und das war viel schwieriger als die weiteste interplanetare Expedition. Obwohl unsere Vorfahren nur einen Teil von dem wußten, was wir heute wissen, dürfen wir sie nicht geringschätzen. Denn ihnen verdanken wir, daß wir heute künstliche Sonnen und elektrische Hirne konstruieren und zu den Sternen fliegen können.“
    Er legte dem Jungen, der ihm am nächsten stand, die Hände auf die Schultern und sagte: „Es ist schön und gut, wenn ihr hochgesteckte Ziele für eure Zukunft habt. Das, was uns jetzt einmalig und außergewöhnlich erscheint, wie zum Beispiel unsere Expedition, das wird euch später etwas Alltägliches sein. Ihr seid unsere Ablösung und schreitet in die Zukunft, immer weiter und weiter; denn je vollkommener der Mensch die Welt erkennt, um so fernere Horizonte erschließen sich ihm. Erinnert ihr euch noch an den Leitspruch meines Lehrers?“ „Niemals rasten!“ antworteten die Jungen in wirrem, aber kräftigem Chor.
    „Nun gebe ich euch dieses Wort mit auf den Weg. Lebt wohl! Wenn wir uns wieder einmal begegnen, kann ich euch viele andere Fragen beantworten, weil wir dann bereits von unserem Flug zurück sind.“
    Er trat aus dem Kreis und wandte sich mit langen, ruhigen Schritten den Lichtern der Werft zu. In tiefem Schweigen blickten ihm die Jungen nach. Noch eine Weile – dann waren die Umrisse seiner Gestalt im Dunkel verschwunden.
 
ZWEITER TEIL

DAS TAGEBUCH DES PILOTEN
Hannibal Smith
    Ich heiße Robert Smith und wurde vor siebenundzwanzig Jahren in Pjatigorsk als Sohn einer Architektin und eines Flugplatzleiters geboren.
    Mein Großvater, Hannibal Smith, war im Jahre 1948 in die Sowjetunion gekommen. Er sehnte sich zeit seines Lebens nach Amerika zurück, obwohl er dort nur Schlimmes kennengelernt hatte; denn er war Kommunist und Neger, ein doppeltes Verbrechen, für das er so manches hatte erdulden müssen. Er heiratete

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