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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Kilometer im Umkreis ausgebreiteten Fächer erstarrter Lava, die ringsum die niedrigen Höhenrücken und Gebirgswälle bedeckte. Wir näherten uns dem Terminator, der Linie, die den beleuchteten Teil des toten Gestirns von dem unbeleuchteten scheidet. Dort, an der Grenze zwischen Tag und Nacht, meißelten die waagerechten, fast parallel zum Boden verlaufenden Sonnenstrahlen eine gespenstische Architektur in die Felsen. Aus den Nachtgebieten stachen, weißglühenden Nadeln gleich, die Spitzen der höchsten Gipfel hervor.
    Unter und vor uns lag die Ebene der Südsee, auf der ich einen dunklen nadeldünnen Strich gesichtet hatte, der sich mit ungeheurer Geschwindigkeit fortbewegte. Gespannt verfolgte ich ihn … auf einmal begriff ich: Es war der Schatten der Rakete. Ich wollte Soltyk darauf hinweisen, der dicht neben mir stand; aber er hatte es bereits bemerkt. Er wendete mir sein strenges Gesicht zu, auf dem die Erregung der letzten Stunden stand, über das aber schon wieder ein leichtes Lächeln huschte.
    Plötzlich verlosch der große Leuchtschirm wie eine ausgeblasene Kerzenflamme. Wir waren in ein vollständiges Dunkel geraten. Da keine Lampen brannten, konnte man in der Zentrale nichts mehr unterscheiden. Soltyk schaltete den Televisor auf das Radargerät um, und in der Finsternis, die in der Kabine herrschte, zeigten sich die grünlichbraunen Umrisse der Mondkrater. Unmittelbar neben uns, als hingen sie frei im Raum, flimmerten die Zahlen auf den Instrumenten des Prädiktors, und auf der Glasscheibe, über die wir uns alle drei beugten, schwamm ein Leuchten, das aus dem Meeresgrunde aufzusteigen schien: Es verwandelte unsere Gesichter in unheimliche Masken.
    Inzwischen war der „Kosmokrator“ in den Schattenkegel getaucht, den der Mond in den Raum wirft, und brauste noch immer mit gleicher Geschwindigkeit weiter. Kurze Zeit später erlebten wir den Vorgang, den wir bei der Annäherung an den Mond beobachtet hatten, noch einmal umgekehrt. Das Relief der Oberfläche verwischte sich allmählich, die kreisförmigen Gebilde der Ringgebirge wurden immer kleiner und liefen gegen die Mitte des Leuchtschirmes zusammen, die Oberfläche des Satelliten schien sich langsamer und langsamer zu drehen, bis sie scheinbar stillstand. Der Mond, nun wieder eine halb beleuchtete, halb in Dunkel gehüllte Kugel, lag hinter uns.
    Soltyk schaltete das Licht an, nahm den Fotoapparat und ging mit dem Astronomen ins Laboratorium. Ich blieb allein und setzte mich vor den Leuchtschirm, der den Ausschnitt des vor der Rakete liegenden Raumes zeigte. In die Stille hinein tickten helltönend die Geigerzähler. Jeder dieser Töne meldete, daß ein Partikelchen der kosmischen Strahlung die Wände der Rakete, ihren Schutzmantel aus Wasser, durchschlagen hatte. Zuweilen erfuhr das langsame, gleichmäßige Ticken eine beträchtliche Beschleunigung. Anscheinend durcheilten wir dann ein Strahlenbündel, das von irgendeinem fernen Himmelskörper ausgesandt wurde.
    Nachmittags bat mich Soltyk, die Sauerstoffskaphander zu prüfen, in denen wir uns auf der Oberfläche der Venus bewegen sollen. Der Ingenieur ist ein anständiger Kerl. Ich weiß, daß diese Arbeit weder dringend noch notwendig war. Soltyk war mir aber begegnet, als ich ziellos in der Rakete herumirrte, und wollte mir einfach eine Beschäftigung geben.
    Ich machte mich also auf zum Oberdeck, zu den Laderäumen. Jedesmal, wenn man durch den senkrechten Schacht hinaufsteigt, spürt man etwas ganz Eigenartiges: Der Körper wird schwerelos; denn in der Längsachsenzone der Rakete verliert die Zentrifugalkraft ihre Wirkung, und man kann hier, wenn man sich von den Sprossen der Leiter abstößt, längere Zeit frei in der Luft schwebenbleiben mit dem komischen Gefühl der Körperlosigkeit, wie man es manchmal im Traume hat.
    Unsere Skaphander waren natürlich in bester Ordnung. Sie bestehen aus einer Kombination und einem Helm, den man rasch und bequem abnehmen kann. Die Kombination ist aus einem weichen, aber sehr widerstandsfähigen Gewebe aus künstlicher Wolle angefertigt und wiegt nur knapp drei Pfund. Der Helm bildet einen an der Spitze abgerundeten Kegel, ist also an der Basis am breitesten. Chandrasekar bezeichnete seine Form als ein Rotations-Hyperboloid. Zu beiden Seiten ragen konkave, mit einem Metallgitter versehene Reflektoren heraus. Das sind die Antennen eines kleinen Radargerätes, dessen Schirm sich im Innern des Helmes in Mundhöhe befindet. Vor den Augen ist eine ovale Scheibe

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