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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Wirkung auf die in den oberen Sälen Beschäftigten haben konnte.
    ,Das Datum! Das genaue Datum! Wann war das?‘ rief ich. Zögernd nannte er es. Ich sauste an den verblüfften Laboranten vorbei, riß die Schlüssel aus dem Kasten, stürzte ins Laboratorium und war kurze Zeit darauf schon inmitten des großen Geheimnisses: An dem Tage, an dem der Beschleuniger aufgestellt worden war, hatte man die Proben von Nummer 6419 bis 6439 gemacht. Darunter befand sich also auch jenes wunderbare Stück Gummi, und zwar als letzte Probe dieser Versuchsreihe. Es taugte ebensowenig wie die anderen. Nachdem die Röntgenaufnahmen beendet waren, blieb dieses Stück Gummi im heißen Ofen, und die Chemiker verließen das Laboratorium. Als niemand mehr oben war, begannen die Techniker im Erdgeschoß mit der Überprüfung des Beschleunigers. Der Strom der ausgeschleuderten elektrischen Teilchen drang durch die drei Stockwerke, gelangte auch in das Innere der noch heißen Kammer und polarisierte die Polystyrene so, daß Siliziumgummi entstand.
    Am nächsten Morgen wurde diese Probe, ohne daß man auch nur eine Ahnung von ihrer wunderbaren Verwandlung hatte, mit den anderen als wertlos in die Rumpelkammer gebracht. Damit ist eigentlich meine Geschichte zu Ende. Der mächtige Sturm, der die Atome zum kristallinischen Gitter ordnete, war ein Strom elektrischer Teilchen. Auf diese Weise entstand das Herstellungsverfahren des Siliziumgummis, das manchmal auch das Rainersche genannt wird … Ein kleiner Kutter mit einer kühnen Besatzung, einer eigentümlichen Takelage und das stürmische Wetter an der See haben dabei Pate gestanden. Ich habe auf der Erde bis jetzt noch nie unter Kollegen darüber gesprochen, ich hätte es nicht gewagt; aber hier..“
    Rainer verstummte. Nach längerer Zeit sagte Chandrasekar: „Ich freue mich, daß Sie diese Geschichte erzählt haben. Sie ist ein schönes Beispiel für den Reichtum und die planvolle Vielfältigkeit der Erscheinungen, die im menschlichen Geiste vor sich gehen. Gestatten Sie mir einen Vergleich: Irgendwo rollt ein schweres Gefährt durch die Straßen, und unter all dem Kristall und Porzellan in einem Büfett klingt ein kleines Weinglas auf, leise, ganz leise. Selbstverständlich ist es eine Resonanzerscheinung; aber das gleiche, Kollege Rainer, war auch mit Ihrem Segelschiff der Fall. Sehen Sie, im Zimmer muß es vollkommen still sein, damit man die feine Stimme des Glases, das durch eine ferne Erschütterung aus der Ruhe gebracht worden ist, auch vernehmen kann. Und genauso ist es bei Ihnen gewesen: Der Schlaf war für Sie unbedingt notwendig. Er unterbrach den in sich geschlossenen Kreislauf der Gedanken, der sich Ihnen eingeprägt hatte und in dem Ihr Geist sich ständig im Kreise bewegte. Endlich fand er nun einen völlig neuen Weg. Ihr Unterbewußtsein ahnte schon längst das Richtige, als Sie sich noch mit einer Hartnäckigkeit, die einer besseren Sache wert gewesen wäre, einzureden versuchten, daß Sie nichts wüßten. Das heißt, Sie wußten es wirklich nicht …“
    „Das erinnert mich an eine andere Sache”, begann Arsenjew, schüttelte aber, nachdem er auf die Uhr gesehen hatte, den Kopf. „Halb vier”, sagte er. „Ich glaube, es ist höchste Zeit, schlafen zu gehen, nicht wahr?” Wir stimmten ihm alle zu. Ich denke, daß wohl ein jeder von uns etwas aus Rainers Erzählung mitnahm und nun seinen eigenen Gedanken nachhängen wollte.
    „Obwohl es hier bei uns weder Nacht noch Tag, noch Tageszeiten gibt, wünsche ich euch eine gute Nacht, liebe Freunde”, sagte Arsenjew und reckte seine mächtige Gestalt. Schweigend begaben wir uns in die Kabinen. Das Geschoß raste weiter auf seiner Bahn; die Sterne aber standen unbeweglich auf dem Leuchtschirm. Noch einmal blickte ich zu ihnen hinüber, bevor mein Kopf, voll von den Eindrücken dieses Tages, auf das Kissen sank. In dieser Nacht träumte ich von meinem ersten Flug.
Das tote Gestirn
    Die ganze Zeit über schien die Erde zu wachsen. Ein immer ausgedehnterer Teil ihrer Oberfläche wurde sichtbar, je weiter wir uns von ihr entfernten. In der siebzehnten Stunde unseres Fluges erreichte sie ihren größten Durchmesser. Es war geradezu beängstigend, auf diesen sich immer furchtbarer heranwälzenden Koloß zu blicken, aus dem ein dichter, weißer Glanz hervorbrach. Dann trat das ein, wovon Soltyk erzählt hatte, was man aber nicht begreifen kann, wenn man es nicht miterlebt hat. Die Teilung der Welt in Himmel und Erde verschwand, die

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