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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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weiter und steigerte die Geschwindigkeit bis zur Höchstgrenze – so weit ich den Gashebel herunterdrücken konnte. Der Motor lief gleichmäßig. Wäre ich nicht in einer so gefährlichen Lage gewesen, so hätte ich an dem Kaleidoskop von Farbenbrechungen, das unter mir vorbeizog, gewiß meine Freude haben können. Ganz unerwartet prasselte es in den Hörern. Durch eine Sturzflut von schrillem Pfeifen und Knattern vernahm ich die Stimme Soltyks. „Melden Sie sich, Pilot! Pilot!“
    Ich rief sofort die Rakete an, bekam aber keine Antwort. Nach einigen Sekunden gespannten Wartens hörte ich Soltyk wieder sprechen. „Er meldet sich seit zwanzig Minuten nicht mehr.“ Das mußte er zu einem der Gefährten gesagt haben. „Wollen wir weiter kreuzen?“ fragte jemand; es schien Arsenjew zu sein.
    „Ingenieur!“ rief ich. „Achtung, ,Kosmokrator‘!“
    „Wir kreuzen weiter“, entgegnete Soltyk. Ich rief, schrie, brüllte, aber niemand antwortete mir. Nur einzelne, abgerissene Worte drangen an mein Ohr; Soltyk beriet sich mit den Gefährten. Ich sah auf meinen Radarschirm, der mir die Richtung anzeigen sollte, in der ich die Rakete zu suchen hatte. Anstatt der leuchtenden Zacke erblickte ich auf der runden Scheibe ein Chaos von aufzuckenden Strahlen. Es erinnerte an die Störungserscheinung, die durch Streifen oder Blättchen aus Aluminiumfolie hervorgerufen wird. Mich packte die Wut. Soltyks Stimme wurde schwächer und ging schließlich in dem immer stärker werdenden Knistern und Prasseln unter. Als ich dann den Knopf des Reglers drehte, vernahm ich zum zweiten Male die geheimnisvollen, klagenden Töne … Zum Teufel, war das etwa – das Radio der Venusbewohner?
    Es war möglich! Die abgerissenen Töne konnten etwas Ähnliches wie unsere Morsezeichen sein. Ich hatte jedoch keine Zeit, darüber nachzudenken; denn vor mir, wenn auch noch in großer Entfernung, wuchs ein neuer Felswall auf. Er verlief in Richtung des Bergsees, der bereits hinter dem Horizont verborgen lag.
    Das Gebiet des toten Waldes brach nach beiden Seiten hin in schnurgerader Linie ab. Daran schloß sich eine Ebene, die von sanften Bodenwellen und flachen, abgerundeten kleinen Vertiefungen durchzogen war. Einen besseren Landeplatz konnte ich mir nicht erträumen. Wenn ich mich nicht täuschte, war der Boden glatt wie polierter Stein. Über den letzten Reihen der toten Bäume drosselte ich den Motor ab.
    Es kam mir vor, als sei der Wald von der Ebene durch einen schmalen, dunklen Streifen getrennt; aber ich mußte mich jetzt scharf konzentrieren. Ich drehte die Landeklappen heraus und zog den Steuerknüppel an mich. In der Stille, die plötzlich eingetreten war, gaben die Tragflächen einen abschwellenden, tiefen Ton von sich. Ein leichter Stoß … und ein zweiter; die Räder hatten den Boden berührt. Die Maschine rollte noch eine kurze Strecke weiter, dann blieb sie stehen. Ein wenig vornübergeneigt, ruhte sie auf dem gefalteten, leicht abschüssigen Boden, dem Boden des Planeten Venus.
Der Pilot
    Unschlüssig, was ich nun beginnen sollte, blieb ich geraume Zeit in der Kabine sitzen. Dann untersuchte ich noch einmal das Bordsprechgerät. Der Zeiger glitt über die ganze Skala. Alle Wellenbereiche schwiegen. Nicht das leiseste Geräusch drang aus dem Äther. Es hatte keinen Zweck. Ich holte den Helm unter dem Sitz hervor und stülpte ihn über. Gewissenhaft zog ich die automatischen Klammern fest, eine nach der anderen. Ich wartete noch einen Augenblick, dann drückte ich den Hebel kräftig nieder. Das gläserne Dach schob sich zurück. Mit einem Blick kontrollierte ich den winzigen, dunkelgrünen Schirm des Radargerätes, der innerhalb des Helmes leuchtete, berührte den Hahn des Sauerstoffapparates, schwang das Bein über den Bordrand und stand nun auf der Tragfläche.
    Ich weiß, daß es mir nie gelingen wird, das Bild wiederzugeben, das ich erblickte. Ich kann wohl seine Einzelheiten beschreiben, vermag aber nicht, jenen seltsamen, überall vorherrschenden Grundton der Farben in Worten auszudrücken. Diese Tönung war die Ursache, daß man sofort das Gefühl hatte, nicht auf der Erde zu sein. Träge trieben die Wolken dahin; es waren nicht die leichten, flaumigen Zirruswolken der Erde, sondern ein glatter, milchweißer Vorhang, der das ganze Firmament verhüllte. Von grellem Licht beschienen, breitete sich eine Landschaft flacher Hügel und Mulden aus. Sie war trocken, ohne jeden Pflanzenwuchs, von tiefschokoladenbrauner Farbe, die nur

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