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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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sollen.“
    Lao Tsu ergriff das Wort: „Wir sind in der Lage eines Menschen, der ein Buch aufgeschlagen hat, das in einer für ihn unverständlichen Sprache geschrieben ist. Ich nehme sogar an, daß er es in der Mitte aufgeschlagen hat und es noch obendrein verkehrt hält. Solange wir nicht wissen, was gesetzbestimmt und was nur augenblicksbedingt, was wesentlich und was unwesentlich ist, solange besteht die Befürchtung, daß wir uns von zufälligen Funden und falschen Hypothesen irreführen lassen. Deshalb schlage ich vor, uns überhaupt nicht mit der Prüfung der Frage zu befassen, ob die Gebilde, die Smith entdeckte, metallische Insekten und die tatsächlichen Hauptbewohner des Planeten sind oder nicht. Vielmehr sollten wir mit der Untersuchung der nächsten Umgebung des Sees anfangen und sie kartieren, damit wir eine Operationsbasis für weitere Vorstöße haben. Ich will niemandem meinen Vorschlag aufzwingen, bin aber der Ansicht, daß wir zunächst soviel wie. möglich Fakten sammeln müssen. An ihre Auswertung können wir erst später denken.“
    „Mit einem Wort: hypothesas non fingo?“ meinte Chandrasekar. „Jawohl“, sagte der Chinese. „Mögen unsere Forschungen mit diesem Grundsatz Newtons beginnen.“
    Vier Tage verflossen in ununterbrochener Arbeit. Täglich stieg ich mit dem Hubschrauber auf, um fotogrammometrische Aufnahmen und Theodolitmessungen zu machen. Nach der Landung entwickelten Soltyk und ich die Fliegeraufnahmen, setzten sie zu einer Stereoskopkarte zusammen und übertrugen die Bodengestaltung auf ein kartographisches Netz. So entstand eine Karte unserer Umgebung im Radius von sechzig Kilometern. Inzwischen führte eine andere Gruppe, die aus Rainer und Oswatitsch bestand, die geologische Sondierung des Bodens durch. Zu diesem Zweck wurden Sprengladungen in die Uferfelsen gelegt und zur Explosion gebracht. Wenn ich in der Kabine des Hubschraubers über einem Gipfel hing, der die Basis des Triangulationsdreiecks bildete, dann dröhnte der Talkessel unter mir wie eine Zyklopenschmiede. Die Wissenschaftler riefen künstliche Bodenbeben hervor, registrierten die seismographischen Wellen mit Hilfe hochempfindlicher Instrumente und zogen daraus ihre Schlüsse über den Aufbau der tieferen Gesteinsschichten. Arsenjew und Lao Tsu schwammen im Motorboot auf dem See herum und untersuchten mit Ultraschallsonden die Gestaltung des Grundes. Alle unsere Arbeiten wurden durch den ständigen Nebel, aus dem nur die höchsten Felswände herausragten, sehr erschwert. Die Physiker glaubten, ihn mit Hilfe radioaktiver Emitoren zerstreuen zu können. Mittels Strahlenbündel wurde der Dampf ionisiert und ging dann als feiner, warmer Regen nieder. Aber nach zwanzig Minuten war der Nebel genauso dicht wie vorher.
    Am zweiten Tag, als sie wieder auf dem See kreuzten, bemerkten Arsenjew und Lao Tsu, daß die Sonde an einigen Stellen zwei Werte auf einmal angab. Dieses Gerät sendet Schallwellen in die Tiefe, die vorn Boden reflektiert werden und zurückkehren. Aus dem Zeitunterschied zwischen dem gesendeten Impuls und dem Echo berechnet man die Tiefe. Nun aber war an manchen Stellen das Echo wie durch einen doppelten Reflex verzerrt. Die genaue Prüfung zeigte, daß quer über dem Grund des Sees ein langer Gegenstand in Gestalt eines dicken Rohres hing. Sein Durchmesser wurde auf fünf bis sechs Meter geschätzt. Das Rohr zog sich in schnurgerader Linie nach Nordosten hin, erreichte das Ufer, verschwand dort in einer Tiefe von sechzig Metern, durchbrach das Felsmassiv unterhalb des Engpasses, durch den ich während meines ersten Aufklärungsfluges gekommen war, und verlief dann weiter unter der Ebene. Als die Wissenschaftler dem Rohr in entgegengesetzter Richtung folgten, gelangten sie an das andere Ufer des Sees. Dieses sah recht sonderbar aus. An Stelle der weißgrauen Felstrümmer, die sonst überall das Ufer säumten, erhob sich hier ein schwarzer, nach außen gewölbter Wall, der der Seitenwand eines gekenterten Schiffes glich. Unter den Tritten der eisenbeschlagenen Schuhe gab der Boden hellklingende, kurze Töne von sich. Wie eine flüchtige Analyse erwies, handelte es sich um Eisen, das mit schuppigen Rostwülsten bedeckt war. Ich wurde mit meinem Hubschrauber herbeigerufen. Mit Hilfe des Radargerätes und des Induktionsapparates gelang es mir, die Grenzen dieser Eisenformation festzustellen. Sie war nirgends stärker als vier Meter und breitete sich über eine Fläche von sechs Quadratkilometern aus.

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