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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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die die Spannung der kosmischen Strahlung anzeigten. Scheinbar unbeweglich stand die flimmernde Scheibe des Propellers schräg über uns. Nur ihr monotones Pfeifen schwächte sich manchmal ab und verstärkte sich dann wieder. Zuerst flogen wir in der Richtung des Toten Waldes, später machte jedoch das Rohr einen weiten Bogen nach Nordwesten. Der Boden stieg langsam, aber stetig an. Die vereinzelten schroffen, wunderlich geformten Felsen schlossen sich zu eckigen, kantigen Massiven zusammen. Immer häufiger verlor ich die Spur und mußte kreisen, um sie wiederzufinden. Unter den Fenstern der Kabine zogen steinige, mit Felstrümmern besäte Hänge, steile Klüfte und Schluchten vorüber. Die akustische Spur führte entlang einer abschüssigen Bergkette zu einer ausgedehnten Hochebene, die von bauschigen Wolken bedeckt war. Zuweilen hüllte der milchige Dunst die ganze Kabine ein, dann wieder tauchte nur der Propeller darin unter, und seine glasige Scheibe wurde matt und trübe.
    Unvermittelt lichteten sich die Wolken. Wie von dem Fausthieb eines Giganten in den Fels geschlagen, gähnte ein dunkler Abgrund, ein Krater unter uns. Der Hubschrauber ging bis zu dem schwarzen, zu Glas geschmolzenen, von Hunderten Sprüngen zerrissenen Rand der Kraterwand hinunter. Ein Stück weiter, hinter den überhängenden Basaltplatten, war gähnende Leere. Dort verlor sich die Spur. Zarte dahinsegelnde Dunstschleier blieben an den Rändern des Abgrundes hängen und spannen lange, flatternde Netze an die Wände. Ich drehte mich zu Soltyk um. Der schüttelte den Kopf und zeigte auf das Bordsprechgerät; seit einer ganzen Weile schon gab es keinen Ton mehr von sich. Zwischen uns und dem „Kosmokrator“ lag der Tote Wald; wir waren auf uns selbst gestellt. Ich drückte den Steuerknüppel nach vorn. Der Hubschrauber hing nun über dem Abgrund, und über uns schwebten die Wolken so dicht, daß der Propellerwind sie in sanfte, kreisende Bewegung versetzte. Die Maschine schaukelte wie ein Korken in unruhigem Wasser. Der Propeller fand in der verdünnten Atmosphäre nicht mehr den erforderlichen Widerstand, immer schneller drehte er sich – plötzlich sausten wir in die Tiefe. Hinter den Scheiben tanzten wie abgerissen die Querschnitte der geologischen Schichten vorbei. Der Motor heulte auf und kam wieder auf Touren. Mit Mühe parierte ich einen kräftigen Stoß des hin und her zerrenden Steuerknüppels. Langsam gewannen wir wieder an Höhe. Hinter den Fenstern der Kabine wichen die scharfen, von Dunstballen umwehten Felsrippen zurück und sanken in die Tiefe. Nicht ohne Schwindelgefühl konnte man in diesen Hexenkessel hinabschauen. Das war nicht das vertraute Landschaftsbild unserer Berge, deren Gesicht durch eine jahrtausendlange Einwirkung von Wasser und Wind gezeichnet war. Hier ragten inmitten der Wolken die Wände, glatt wie Tafeln schwarzen Eises, in die Höhe. Schaudernd glitt der Blick an diesen furchtbaren Stellen ab.
    Einem Bergadler gleich, zog die Maschine weite Kreise, stieg immer höher, bis der ganze Krater, ein finsterer Kessel, in dem der Nebel schwamm, tief unter uns lag.
    „Ich habe die Spur verloren“, teilte ich Arsenjew mit. „Ist das ein Vulkan? Vielleicht endet das Rohr gerade hier.“
    „Das sieht nicht nach einem Vulkan aus. Landen können wir hier nicht, was?“
    „Nein.“
    Er schob mir die Karte zu, auf der er die zurückgelegte Flugstrecke mit einer roten Linie eingezeichnet hatte.
    „Das Rohr trifft seitlich, beinahe tangential auf den Abgrund. Wir müssen es also auf der entgegengesetzten Seite suchen, dort, wo diese kleinen Felsen wie Zuckerhüte über die Wolken ragen. Dort, ja?“
    Ich nickte und steuerte den Hubschrauber über den Abgrund auf die angegebene Stelle zu. Die Felskegel glänzten so blendendweiß über den Wolken, daß man sie für hartgefrorenen Schnee halten konnte. Je mehr wir uns ihnen näherten, um so weiter schien sich die Wand des Kraters auseinanderzuschieben; immer neue Spalten, verborgene Winkel und Risse zeigten sich. Während in den Hörem ein noch leiser, sehr ferner Ton aufklang, öffnete sich zwischen zwei Felsen, deren schmale Vorsprünge über dem Abgrund hingen, etwas wie ein geborstenes Tor. Dahinter lag eine schroff abfallende lange Schlucht. Der Ton in den Hörern hatte sich verändert; die Membranen brummten jetzt im tiefsten Baß.
    Ich verständigte mich durch einen Blick mit dem Astronomen. Er nickte mir zu, das hieß, ich sollte die Richtung beibehalten. Ich

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