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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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brauchte nicht lange darauf zu warten. –
    Mit Kristallbruchstücken beladen, kehrten Arsenjew und Lao Tsu zum Hubschrauber zurück. Während des Fluges wechselten wir kein Wort. Erst in der Schleusenkammer der Rakete, als sich der Raum mit Sauerstoff gefüllt und der Astronom den Helm abgesetzt hatte, sagte er zu mir: „In einer Stunde findet eine Beratung statt. Ich bitte Sie, daran teilzunehmen.“ Auf dem Tisch der Gemeinschaftskabine lagen fotografische und gezeichnete Karten, Filmstreifen, Mineralproben und radioaktive Stoffe, die in Bleikassetten eingeschlossen waren. Nur die Metallinsekten fehlten; Arsenjew und Lao Tsu hatten keine finden können.
    „Liebe Freunde“, begann Arsenjew, „in zwei Erdentagen erwarten wir die Dämmerung; dann bricht die Nacht an, unsere erste Nacht auf der Venus. Es empfiehlt sich, daß wir uns während dieser Zeit an Bord der Rakete aufhalten. Andererseits haben wir noch fünfzig Stunden Tag vor uns. Die einleitenden Forschungsarbeiten sind so gut wie abgeschlossen. Ich denke also, daß wir es wagen können, einen weiteren Vorstoß ins Gelände zu unternehmen. Unser Ziel ist, mit den Bewohnern der Venus Verbindung anzuknüpfen. Von allem, was wir bis jetzt entdeckt haben, halte ich das künstliche Gebilde, das sogenannte Rohr, für das wichtigste. Es ist ein metallischer Leiter und stellt, soweit wir uns auf die Untersuchungen mit Hilfe seismographischer und Radiowellen verlassen können, eine Art Kabel für Kraftübertragung dar. Allerdings scheint es nicht tätig zu sein; denn während unseres ganzen Aufenthaltes am See ist es auch nicht von der geringsten Energiemenge durchflossen worden. Trotzdem verdient es Beachtung. Das eine Ende ruht unter der Eisenkruste am Ufer. Überlegen wir, ob es sich nicht lohnen würde, das andere zu suchen.“ –
    Schon am frühen Morgen öffneten sich die Klappen, und der Hubschrauber, der mit seinen weit auseinandergespreizten „Beinen“ einer Heuschrecke ähnelte, rollte auf den Rücken der Rakete. Wir nahmen zu viert in der von allen Seiten verglasten Kabine Platz. Der dreiflügelige Propeller begann um seine Achse zu wirbeln, verwandelte sich in eine durchsichtige Scheibe, und die Maschine erhob sich, wie ein Käfer brummend, in die Luft. Ein frischer Wind jagte den Nebel über dem See auseinander; die Sicht wurde besser. Ich flog nur wenige Meter über dem schwarzen Wasser und steuerte zuerst das eiserne Ufer an. Bei jedem Windstoß färbte sich der Nebel rotbraun, es war, als rauchten die Rostschichten. Unter dem Hubschrauber war ein empfindliches Induktionsgerät befestigt, das sofort auf vorhandene Metallablagerungen oder -adern reagierte. Es war durch ein Kabel mit meinen Kopfhörern verbunden, so daß ich über dem eisernen Ufer ein durchdringendes Klirren und Pfeifen vernahm. Wie ein beutegieriger Raubvogel begann ich zu kreisen, bis ich einen charakteristischen, immer wieder abreißenden, feinen Ton hörte – das elektrische Echo, das durch das Metallrohr hervorgerufen wurde. Wir folgten nun dieser sicheren Spur und flogen, immer in gerader Linie, zuerst über den See, dann über die Geröllhalden. Auf der Oberfläche des Bodens verriet auch nicht das geringste Anzeichen das Vorhandensein des Rohres. Ich achtete darauf, daß die Stärke des Tones in den Hörern immer gleichblieb, und steuerte so das Flugzeug ruhig und sicher. In der Nähe des Engpasses geriet der Hubschrauber in eine starke Luftströmung. Von beiden Seiten schoben sich riesenhafte, dunkle, bis in die Wolken reichende Steilwände heran. Unter dem Kamm der Felsen verdichtete sich das Gewölk zu weißen Knäueln wie Gischt an einem Wellenbrecher. Dann verbreiterte sich der Engpaß wieder, und der Hubschrauber flog, vom Wind in die Höhe gedrückt, auf die Ebene hinaus. Im ständigen Kampf mit den Luftwirbeln verlor ich die akustische Spur und brauchte Minuten, bis ich sie wiedergefunden hatte. Als ich einen Kreis beschrieb, sah ich am Ausgang des Felsentores noch einmal den See durch die tief herabhängenden Wolken glänzen; schäumend schlugen die Wellen an das Ufer. Dann versperrte der Felsriegel die Sicht.
    Länger als eine Stunde flogen wir bereits über welliges Hügelland. Da ich ständig auf das elektrische Echo achten mußte, hielt Soltyk die Radioverbindung mit der Rakete aufrecht. Von Zeit zu Zeit verständigte er mich durch ein Zeichen, daß alles in Ordnung sei. Arsenjew machte Aufnahmen mit dem Teleobjektiv, und Rainer überwachte die Instrumente,

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