Der Planet des Todes
Die ungleichmäßigen, zerrissen wirkenden Ränder lehnten sich an Felstrümmerwälle an.
Ich ließ den Hubschrauber auf dem Wasser zurück und nahm an den Untersuchungen dieser Eisenkruste teil. Die Sonden zeigten an, daß sie einige Meter unter der Wasseroberfläche in einer scharfen Linie abbrach. Die Angaben des Echolotes aus größeren Tiefen waren verzerrt und unablesbar. Da man sich in unseren Skaphander ebensogut auf dem Lande wie unter Wasser bewegen konnte, versuchte ich zu tauchen. Das Wasser war sehr warm. Ich ließ mich über die glatte Wölbung des Ufers ungefähr fünf Meter tief – so tief reichte die Eisenschicht – hinabgleiten. Weiter unten lag feiner, dunkler Schotter. Ich bemühte mich, die eiserne Kante zu untergraben, um mich zu überzeugen, wie dick sie sei. Obwohl ich eine Höhlung von einem halben Meter wühlte, erreichte ich nicht das Ende. Nach der Mitte des Sees zu fiel der Grund rasch ab. Als ich vom Tageslicht nur noch einen dunkelgrünen Schimmer wahrnahm, stieß ich mit den Händen an eine harte Ausbauchung. In keulenförmigen, senkrechten Nadeln, die aus dem unsichtbaren Grund hervorragten, trat das Eisen wieder auf. Es sah aus, als wäre geschmolzenes Metall in das Wasser geflossen und darin erstarrt.
Ich war kaum ans Ufer zurückgekehrt, da rief mich Arsenjew durch Radiosignale an Bord der Rakete. Als ich den Hubschrauber auf dem Rücken des „Kosmokrator” aufsetzte, erschienen Arsenjew und Lao Tsu in den Spezialskaphandern und baten mich, sie zum Toten Wald zu bringen. Ich fragte, ob ich nicht auch einen Kamexpanzer brauchte. Doch Arsenjew sagte mir, sie würden allein gehen. Mir blieb also nichts weiter übrig, als den Motor anzulassen.
Der Flug verlief ohne Zwischenfälle. Die Beibehaltung der Richtung wurde mir durch die Radiosignale der Rakete erleichtert, die mich sofort wieder auf den richtigen Kurs brachten, sobald ich abwich.
Nach drei viertel Stunden tauchte die hellbraune ausgedehnte Ebene am Rande des Toten Waldes auf. Ich landete in der Nähe der Schwelle, an der die Ebene endete. Die beiden Wissenschaftler packten ihre Apparate und die Fulguritladungen zusammen und entfernten sich. Ich blieb allein zurück. –
Die Arbeiten der letzten Tage waren so sorgfältig und methodisch durchgeführt worden, als befänden wir uns nicht auf einem fremden Planeten, sondern in irgendeinem Winkel unserer Erde. Die rätselhaften Erscheinungen wurden von den Wissenschaftlern mit Stillschweigen übergangen. Keiner äußerte sich zu dem eisernen Ufer und dem merkwürdigen Rohr. Keiner erwähnte auch nur mit einem Wort meine metallenen Ameisen, und ich muß gestehen, daß mich das manchmal ärgerte. Jeder, den ich auszufragen versuchte, antwortete mir, als hätte er sich mit den andern verabredet: „Das muß man abwarten“, oder: „Darüber läßt sich noch nichts sagen.“ Wo blieb denn da die Romantik wissenschaftlicher Arbeit! Kein Wunder, daß ich nun begann, mir meine eigenen Hypothesen aufzubauen. Tagelang spann ich herum: daß sich zum Beispiel das Ufer durch das Aufschlagen eines Eisenmeteors auf den Felsen gebildet habe, daß das Rohr einer der Tunnel sei, durch die sich die metallenen Wesen bewegten. Chandrasekar warf mir alle diese Annahmen, als ich sie ihm mitteilte, im Verlaufe von fünf Minuten über den Haufen. „Da sehen Sie, wohin ungenaue induktive Schlußfolgerungen führen können“, sagte er.
„Freilich, meine Ideen sind nichts wert“, rief ich. „Mir ist die Arbeit hier überhaupt schleierhaft. Wir haben das Rohr entdeckt. Sollte man sich nicht damit befassen? Aber nein, da mußte ich heute den ganzen Tag über Wasserproben aus verschiedenen Tiefen holen. Ich begreife schon gar nichts mehr. Meine Gefährten werden für mich geheimnisvoller als die Venusbewohner!“
„Ach, also wir sind für Sie ein Rätsel!“ Der Mathematiker lächelte, wurde aber plötzlich ernst, ergriff meine Hand und sprach: „Wir sind nur vorsichtig. Nicht ein uns umgebender Wald von Geheimnissen bestimmt unsere Arbeit, sondern etwas viel Wesentlicheres.“
„Und was ist das?“ fragte ich.
„Die Erde. Denken Sie stets daran, dann werden Sie verstehen, daß wir keine Fehler machen, keine Irrtümer begehen dürfen.“
Mit diesen Worten hatte mich Chandrasekar besiegt; ich mußte ihm recht geben. Das innere Feuer aber, das mich verzehrte, vermochte er nicht zu löschen. Ich zwang mich zur Geduld in der Hoffnung, daß uns noch große Ereignisse bevorstünden. Ich
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