Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)
Kurz vor Mantova. Aber ehrlich gesagt», sie zwinkerte Roberto zu, «so wie ich Ornella kenne, will die noch in den Outlet da. Kennst du den, direkt neben der Autobahn? Da gibt es alle Markenklamotten für die Hälfte. Und sogar noch billiger.»
«Ich werde dir jetzt den Bericht diktieren», sagte Roberto ruppiger, als er eigentlich wollte, und fast, als wollte er einen von Marias berüchtigten Wutanfällen provozieren.
«Selbstverständlich», erwiderte sie und zog die Tastatur ihres Computers zu sich heran.
Roberto starrte sie an, sprachlos.
Sie lächelte, verdammt, sie hatte eine Art, die ihm kleine Blitze durch den Körper schickte. «So können wir uns aufeinander einspielen.»
«Einspielen?» Roberto wollte sie fragend ansehen, konnte aber nicht verhindern, dass sein Blick verrutschte und an ihrem sehr ansehnlichen Dekolleté hängenblieb. Was Maria nicht verborgen blieb und sie mit einem sanften Recken und Strecken ihres Oberkörpers beantwortete.
«Wir haben bei der Zentrale einen Antrag gestellt, dich zu uns zu holen. Als commissario der Polizia di Stato. Was sagst du jetzt?»
«Was?»
«Gestern.» Sie klimperte mit ihren Augen wie in Zeitlupe. «Übrigens auf meinen Vorschlag hin.»
Zeng! Roberto brauchte keine Sekunde, um endlich zu kapieren, was hier abging: Maria war ihres cholerischen, unfruchtbaren Ehemannes überdrüssig geworden und hatte ihn zum Teufel geschickt, und jetzt wollte sie sich ihn, Roberto, wieder zurückholen. Aber weil der gesellschaftliche Rang eines Poliziotto bei der Polizia Municipale noch unter dem eines Sachbearbeiters auf dem Einwohnermeldeamt rangierte, hatte sie dafür gesorgt, dass er auf der sozialen Leiter gleich zwei Stufen überspringen würde. Commissario , das machte etwas her, damit konnte sie punkten.
«Kein Interesse», sagte Roberto.
Sie lächelte ihn an, wie es nur eine Venusfalle fertigbringt. «Ich habe Nevio schon alles erzählt.»
Auch um das zu kapieren, benötigte Roberto keine Sekunde: Damit war er für Cottelli ab jetzt der Teufel in Person, und es brauchte keine besondere Phantasie, sich vorzustellen, was das für seine Zukunft bei der Polizia Municipale bedeutete: Hölle, Fegefeuer, Inferno und Doppelschichten, Außendienst, wenn das Wetter schlecht war, und Innendienst, wenn die Sonne lachte.
Maria hatte nicht aufgehört zu lächeln und drehte sich sanft auf ihrem Schreibtischstuhl hin und her.
Franco starrte den bronzenen Davidsstern an, den Rabbi Shlomo sich von dem Bildhauer Giacomo Pipistrello als Türklinke hatte machen lassen, und als der Rabbi die Tür mit großem Schwung öffnete, folgten Francos Augen dem Stern.
«Roberto!» Shlomo breitete die Arme aus. «Du hast Urbino von einer Geißel, von einem Albtraum befreit!»
«Sie meinen den Mörder oder den Golem?»
«Alle, die von einem Golem geredet haben, müssen nun beschämt ihr Haupt senken. Mein lieber Franco», der Musiker zuckte zusammen und trat einen Schritt zurück, «kommt herein.» Der Rabbi zog Franco ins Haus. «Ihr müsst entschuldigen, wegen der Unordnung. Meine Frau ist für ein paar Tage verreist, und wir jüdischen Männer lernen zwar jeden Tag, uns mit dem Talmud anzulegen, nicht aber mit dem Staubsauger und der Spülmaschine.» Er lachte dröhnend und dirigierte seine Gäste in sein Studierzimmer am anderen Ende eines langen Korridors.
Ein erstaunlicher Raum, wie Roberto fand, der offenbar dem studiolo des Duca da Montefeltro im Palazzo Ducale nachempfunden war. Wunderbar gedrechselte Regale, die mit alten, ledergebundenen Büchern vollgestellt waren, wechselten sich mit kunstvoll mit Intarsien verzierten Holzvertäfelungen ab, an denen bronzene Wandlampen mit gelblichen Tierhautlampenschirmen sich bemühten, Licht zu spenden. Franco schien der düstere Raum noch ängstlicher zu machen.
«Erstaunlich, was ein Gerücht alles in Bewegung setzen kann», sagte Roberto. «Und wie sich Menschen verändern, die man meinte, gut zu kennen.»
Der Rabbi nickte ernst. «Das scheint in der Natur des Menschen zu liegen. Hexenverbrennung, Fremdenhass, Pogrome, Inquisition, sogenannte ethnische Säuberungen – die Liste wäre endlos, wenn ich sie nicht an dieser Stelle beendete. Aber es liegt eben auch in der Natur des Menschen, immer wieder dagegen anzugehen.»
«Wussten Sie von dem Fluchttunnel unter der Synagoge, Rabbi?», fragte Roberto.
«Man hat immer davon gemunkelt, aber gewusst hat niemand etwas, und gezielt danach gesucht haben wir auch nie.»
«Wer weiß,
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