Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)
schwieg, auf keinen Fall wollte er irgendwelche Spuren hinterlassen, auch keine akustischen, und ging davon.
«Du Arsch!», brüllte der Südtiroler. «Komm zurück, du feige Sau!»
Galdroni stapfte weiter. Gerade noch rechtzeitig sah er seine Frau Ornella die Straße heraufkommen. Er drückte sich in einen schmalen Durchgang zwischen zwei Kuhställen.
«Erich, was ist passiert?», hörte er Ornella rufen. Vorsichtig peilte er um die Ecke. Ornella hockte vor dem Skilehrer, der sich einen Schneeball auf die Wunde presste und theatralisch stöhnte.
«Irgend so ein Kerl. Ist abgehauen. Ich habe ihm noch eine verpasst. Dir reiß ich den Arsch auf!», brüllte der Skilehrer ins Dunkel.
«Das war der Erstschlag», brummte Galdroni zufrieden – bis er mit ansehen musste, wie seine Frau den Südtiroler streichelte und sich an ihn schmiegte. Galdroni verdrückte sich durch die Gasse, in der sich frischer, weicher Kuhmist mehr als knöchelhoch türmte. Alles in allem war seine Laune jetzt noch schlechter. Es war Zeit, über den Zweitschlag nachzudenken.
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9.
Roberto tastete sich vorsichtig die steile Via Mazzini hinunter. Heute schon zum zweiten Mal. Die kalte Luft und der hartnäckige Nebel hatten das Pflaster noch schlüpfriger gemacht. Franco neben ihm achtete überhaupt nicht auf den Boden und wäre schon einige Male gestürzt, hätte Roberto ihn nicht in letzter Sekunde aufgefangen. Inzwischen machte sich Roberto wirklich Sorgen um den sensiblen Musiker. Er wirkte wie ferngesteuert, wie weggetreten, wie ein Schizophrener, dessen kranke zweite Persönlichkeit komplett das Kommando übernommen hatte.
Normalerweise hätte Roberto den Fiat-Panda-Dienstwagen der Polizia Municipale genommen. Doch er hatte vor, seinen Dienst gleich nach seinen Ermittlungen in Ruggero Grillis Agriturismo zu beenden, denn von dort war es nicht mehr weit bis hinunter zu seinem rustico in Rombolina. Wo schon die Zutaten für trippa alla marchigiana auf ihn warteten und natürlich sein selbstgekelterter roter Sangiovese, der mit seinen fast 15 Prozent Alkoholgehalt jede Form von Entspannung begünstigte.
Da Roberto keine Lizenz zum Einfahren in die Stadt besaß – noch nie eine besessen hatte, und seit Manchetti im Knast saß, war Cottelli für die Lizenzvergabe zuständig, und der würde sich eher die rechte Hand abhacken, als Roberto eine zuzugestehen –, hatte er seinen alten Cinquecento wie immer auf dem öffentlichen Parkplatz unten auf dem Borgo Mercatale abgestellt. Wenigstens brauchte er als Bediensteter der comune keine Parkgebühren zu bezahlen. Cottelli hatte auch dieses winzige Privileg mit einer internen Verwaltungsvorschrift zu kippen versucht, hatte daraufhin jedoch Krach mit Maria Corbucci bekommen, die dann ebenfalls hätte Gebühren zahlen müssen. Maria hatte sich gar nicht erst die Mühe gemacht, mit ihm herumzustreiten, sondern hatte ihrem Mann eine sexfreie Zeit in unbestimmter Länge verordnet, worauf der ziemlich schnell das Handtuch geworfen hatte.
Kurz vor Carlo Manzonis Schuhladen wechselte Roberto auf die andere Straßenseite. Auf keinen Fall wollte er noch einmal in Donna Domenicas Fänge geraten. Zum Glück waren sie und Carlo wieder in einen Streit verwickelt, beziehungsweise Carlo hockte wie ein begossener und schockgefrorener Pudel vor der Gasheizung, und Donna Domenica schrie und tobte durch den Raum und warf hin und wieder mit Schuhen nach ihrem Noch-Ehemann, denen er nicht einmal auswich, obwohl es sich hauptsächlich um Frauenschuhe mit spitzen Absätzen handelte. Was für ein Elend. Roberto machte drei Kreuze und sah zu, schnell weiterzukommen.
Sein Topolino parkte gleich hinter der Porta Valbona. Wie immer standen ein paar Bewunderer daneben, wahrscheinlich Studenten. Seit Osvaldo, Robertos Cousin, ihn nach einem unseligen Brand neu lackiert und mit neuen Kunststoffsitzen versehen hatte, war dieses Autochen in der Tat zu einem optischen Schmuckstück geworden, das aus dem Design-Einerlei moderner Kleinwagen herausstach wie ein Diamant aus einer Ansammlung von Rasengittersteinen.
Der Wagen sprang nicht sofort an, was Roberto ihm nicht übelnahm. Immerhin hatte der 18-PS-Motor inzwischen fünfundvierzig Jahre auf dem Buckel, sieben Jahre mehr als Roberto selber, und er selber kannte das Gefühl sehr gut, morgens oder bei Kälte, schlimmer noch, wenn beides zusammenkam, einfach nicht in die Gänge zu kommen. Nach dem vierten Versuch röchelte der Motor los, verreckte jedoch
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