Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)
in dem Moment, als Roberto die Scheinwerfer anschaltete.
Porca puttana Eva! Bevor Osvaldo Hand an den Topolino gelegt hatte, hatte es solche Schwierigkeiten deutlich seltener gegeben. Andere ebenfalls nicht. Zum Beispiel zog es seitdem kalt neben der Lenksäule herein, weswegen Roberto sich bei längeren Fahrten immer eine Mikrofaserdecke über die Oberschenkel legen musste.
Roberto kurbelte das Fenster herunter. «Könnt ihr mal anschieben?», fragte er die Studenten.
« Push start? », fragte einer.
Amerikaner! Puscestarte? Was sollte das denn heißen? Roberto signalisierte: Nix da, puscestarte . Anschieben!
« That’s what I said », erwiderte derselbe und warf Roberto einen mitleidigen Blick zu, als müsste der sein Leben ganz ohne Gehirn auf die Reihe kriegen. Wütend kurbelte er das Fenster wieder hoch und betätigte noch einmal den Anlasser. Glück gehabt, blubbernd und spuckend drehte das Motörchen hoch. Die Amerikaner klatschten Beifall und jubelten. Roberto gab Gas und machte sich davon. Der nächste US-Student, schwor er sich, den ich bei einer Ordnungswidrigkeit ertappe, wird auf jeden Fall Bekanntschaft mit meinem Bußgeldblock machen. So weit kam es noch, dass er Englisch lernte, um sich in seinem eigenen Land mit schlecht erzogenen Ausländern verständigen zu können!
Jetzt, am frühen Nachmittag, war der Verkehr moderat. Zum Glück, denn Roberto war sehr mit dem Wischen seiner ständig aufs Neue beschlagenden Frontscheibe beschäftigt. Bis die Heizung warme Luft produzierte, musste er erst einmal ein paar Kilometer zurücklegen, und selbst dann war die Wirkung der Scheibenbelüftung eher dürftig. Selbstverständlich verfügte der Topolino über kein Gebläse.
«Mach du mal», sagte Roberto, als er am zweiten Kreisverkehr in die schmale und sehr schnell sehr kurvenreich werdende Strada Provinciale delle Cesane einbog, und hielt Franco den Lappen hin. Der reagierte langsam wie ein Bär im Winterschlaf.
«Was?»
«Wischen. Die Scheibe.»
Franco nahm den Lappen und fing an, die Scheibe der Beifahrertür neben sich zu wischen.
«Was soll das? Vorne. Die Windschutzscheibe.»
«Ah.» Langsam schwenkte er seine Hand nach vorne, vergaß jedoch zu wischen. Wütend riss Roberto ihm den Lappen wieder aus der Hand. Doch dann sah er, dass Franco weinte, und seine Wut verpuffte augenblicklich. Er nahm sich vor, sich am Abend etwas intensiver um ihn zu kümmern. Schließlich hatte der Musiker recht: Sie waren Freunde, nicht wie Malpomena und er, aber befreundet genug, dass ihm Francos Leiden nicht gleichgültig war.
Der Monte Cesane war kein Berg im eigentlichen Sinn, sondern ein langgestreckter Höhenzug ohne eindeutigen Gipfel. Er begann am südöstlichen Ende von Urbino und erstreckte sich von dort in einem unübersichtlichen Gewirr von Tälern und Hügeln bis nach Fossombrone zur Via Flaminia, einer 220 vor Christus erbauten römischen Heeres- und Handelsstraße. Wie eine Spinnwebe durchzog die Strada Provinciale delle Cesane den Höhenzug mit so vielen Abzweigungen und Nebenstraßen, dass man sehr schnell den Überblick verlieren konnte. Fragte man Einheimische nach dem Weg, bekam man meist eine lange Liste von markanten Punkten aufgezählt, an denen man auf keinen Fall rechts oder links abbiegen oder unbedingt geradeaus fahren sollte, aber nur wenn es zuvor nicht geregnet hatte, weil dann die eigentliche Straße unpassierbar war und man besser schon zwei Kilometer vorher an der Madonnina in die entgegengesetzte Richtung abgebogen wäre, dies aber nur, wenn man einen geländegängigen fuoristrada fuhr, andernfalls wäre es ratsam, einen völlig anderen Weg zu nehmen, der dann allerdings bedeutend länger war – oder den Hinweis, es morgen noch einmal zu versuchen.
Zum Glück war der Weg zu Ruggero Grillis Agriturismo von Anfang an ausgeschildert. Roberto kannte sich hier oben nicht gut aus, er mochte den Monte Cesane nicht besonders: insgesamt zu wenig Wildnis, zu viele bewirtschaftete Flächen und zu viele in Reih und Glied gepflanzte Bäume. Natur sah für Roberto anders aus. Zum Beispiel so wie auf dem Monte Dolciano auf der anderen Seite der Furloschlucht, wo sich sogar ein Rudel Wölfe angesiedelt hatte und seit vielen Jahren ein Königsadlerpärchen hauste und jedes Jahr Nachwuchs aufzog.
Die Fahrt dauerte. Immer wieder zwangen Nebelfelder Roberto, sein Tempo zu verlangsamen. Überall Feuchtigkeit und ein farbloses Grau, der November war mit Abstand die mieseste Jahreszeit, fand
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