Der Polizist rettete sich durch einen Seitensprung
vorliegenden Verfahrens in schrecklicher Ausführlichkeit seitens des Beklagten mitgeteilt wurden.
Aktueller Stein des Anstoßes: der Ausruf «Briefkastenkacker!» So nämlich sollen die noch deliktsunfähigen (aber wohl recht sprachgewandten) Kinder des Beklagten die Kläger auf offener Straße beschimpft haben – vor Passanten und mit väterlicher Duldung. Eingeklagt wird deshalb Schmerzensgeld wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung.
Der Beklagte allerdings bestreitet – und wenn, dann hätten die Kläger sich das Ganze selbst zuzuschreiben. Denn immerhinhabe im Briefkasten des Beklagten eine Zeitung gesteckt, verschmiert mit offensichtlich menschlichem Kot, und er unterstelle den Klägern einfach, diese Verunreinigung selbst bewerkstelligt zu haben.
Schmerzensgeld, das wissen die Juristen, gibt es in diesen Fällen nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen. So müßte zunächst einmal eine besonders schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts festzustellen sein.
Das Gericht in seiner gründlichen Art hakt hier sogar noch früher ein:
Es ist schon äußerst fraglich, ob die den Klägern zuteil gewordene Bezeichnung als «Briefkastenkacker» überhaupt eine Verletzung des geschützten Persönlichkeitsrechts darstellt. Bei unbefangener Betrachtungsweise enthält die Bezeichnung als «Briefkastenkacker» nur die Beschreibung einer besonders unbequemen Art und Weise, eine Verrichtung auszuführen, für welche die normalen Zeitgenossen erheblich mehr an Wärme, Gemütlichkeit und Ruhe benötigen, als ein Sitz auf dem Briefkasten im Zweifel zu bieten imstande ist. Bedenkt man weiter, welch erheblicher Prozentsatz der normalen Bevölkerung Wert auf eine abgeschlossene Tür sowie angemessene Lektüre in Form von Tageszeitungen, Taschenkrimis oder Mickymausheften legt, läßt sich nicht von der Hand weisen, daß der Begriff «Briefkastenkacker» durchaus sogar mit einem Unterton von Respekt und Bewunderung gebraucht werden kann.
Auch eine besondere Schwere der angeblichen Persönlichkeitsverletzung vermag das Gericht nicht auszumachen.
Es fällt nämlich auf, daß die Kläger die ihnen von dem Beklagten unterstellte Verunreinigung seines Briefkastens keineswegs bestritten haben. Lediglich in einem eigenhändigen Brief der Kläger, welcher dem Gericht zwar zur Kenntnis gebracht wurde, aber ausdrücklich von dem Rechtsvertreter der Kläger nicht zum Gegenstand eines schriftsätzlichen Vortrags gemacht wurde, wird die Vermutung geäußert, der Beklagte habe die Verunreinigung
seines Briefkastens insoweit selbst zu vertreten, als er möglicherweise im Suff seine Morgenzeitung mit Klopapier verwechselt habe.
Dies erscheint dem Gericht allerdings unwahrscheinlich, da eine konsequente Weiterverfolgung dieses Gedankenganges ergibt, daß der Beklagte die als Klopapier benutzte Zeitung nach Gebrauch und nach Feststellung des Irrtums wieder in den Briefkasten zurückgebracht haben müßte, offenbar in der kindlichen Hoffnung, der zweckentfremdete Gebrauch der Zeitung würde vielleicht nicht bemerkt werden. Ein solcher Grad an Trunkenheit kann dem Beklagten in Anbetracht der in Frage stehenden Tageszeit allerdings nicht unterstellt werden …
Im übrigen steht aufgrund des sonstigen wechselseitigen Vorbringens der Parteien fest, daß die üblichen nachbarschaftlichen Unterhaltungen der Parteien bevorzugt die Gegend südlich des Körper-Äquators zum Gegenstand hatten. Z.B. hat der Beklagte unwidersprochen vorgetragen, die Kläger hätten ihn des öfteren mit «Arschloch» und «Scheißkerl» bezeichnet und der Hoffnung Ausdruck gegeben, man solle ihm, dem Beklagten, «die Eier abschneiden». Auch vor diesem Hintergrund erscheint der Ausdruck «Briefkastenkacker», selbst wenn er gefallen sein sollte, nicht als besonders schwer, sondern als dem Umgangston zwischen den Parteien angemessen.
Nach Auffassung des Gerichts scheitert ein Schmerzensgeldanspruch zudem daran, daß eine Gegendarstellung oder ein Widerruf, was beides nicht beantragt wurde, weit wirksamer wären als die Zuerkennung von Geld. Dies vor dem Hintergrund, daß ein Fortzug der Kläger ansteht (was das Gericht an anderer Stelle mit großer Erleichterung registriert).
Was aber nutzt den Klägern in ihrem neuen Wohnort ein zusätzlicher Betrag von DM 500,–, wenn sie weiterhin in dem Bewußtsein leben müssen, daß ihre ehemaligen Nachbarn nach wie vor glauben, sie, die Kläger, seien Briefkastenkacker, und sich die Nachbarn möglicherweise die
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