Der Polizistenmörder
daß dort alles auch ruhig und gesund war.
»Ich bin seit beinahe fünfundzwanzig Jahren hier. Aber dies ist was Neues für mich. Reichsmordkommission. Aus Stockholm. Dumme Geschichte.« Nöjd schüttelte den Kopf.
»Es wird schon gut gehen«, beruhigte ihn Martin Beck. »Oder aber…« Und dann leise zu sich selbst: »Oder aber es geht überhaupt nicht.«
»Na klar. Sie verstehen ja was davon.«
Martin Beck überlegte, ob der Mann ihn aus Unsicherheit oder aus alter Gewohnheit siezte. Oder er sprach im Plural. Lennart Kollberg war mit dem Wagen auf dem Weg hierher und sollte am nächsten Tag eintreffen. Er war seit vielen Jahren Martin Becks engster Mitarbeiter.
»Dieser Fall wird bald an die Öffentlichkeit dringen«, erklärte Nöjd. »Ich habe heute einige neue Gesichter im Ort gesehen, Journalisten, glaube ich.« Wieder schüttelte er den Kopf. »So etwas kennen wir hier eigentlich nicht, diese Art von Aufmerksamkeit.«
»Ein Mensch ist verschwunden«, sagte Martin Beck lässig, »das ist nichts Besonderes.«
»Nein. Aber das ist nicht der ausschlaggebende Punkt. Ganz bestimmt nicht. Sollen wir gleich anfangen?«
»Lieber später, wenn du es nicht übelnimmst.«
»Ich nehme niemals etwas übel. Liegt mir nicht.« Er lachte wieder, brach ab und fügte sachlich hinzu: »Ich bin’s ja nicht, der die Voruntersuchung leitet.«
»Der Betreffende findet sich vielleicht wieder ein. So etwas geschieht oft.«
Nöjd schüttelte zum drittenmal den Kopf. »Das glaube ich nicht. Wenn meine Meinung überhaupt gefragt ist Im übrigen ist ja schon alles geklärt. Sagen sie alle. Wahrscheinlich haben sie recht. All das Gerede, bitte nimm es nicht übel, von Reichsmordkommission und so kommt ja nur wegen der außergewöhnlichen Umstände.«
»Wer behauptet das?«
»Der Meister. Der Boss.«
»Der Polizeimeister in Trelleborg?«
»Ebender. Okay, lassen wir das. Dies ist die neue Straße zum Flugplatz. Und hier biegen wir jetzt auf die große Landstraße zwischen Trelleborg und Ystad ein. Auch die ist neu. Siehst du die Lichter da hinten rechts?«
»Ja.«
»Das ist Svedala. Gehört auch noch zum Polizeibezirk Malmö. Ein verdammt großer Bezirk!«
Sie hatten das Nebelgebiet, das auf den Flugplatz und seine nächste Umgebung begrenzt war, hinter sich gelassen. Der Himmel war sternklar. Martin Beck hatte die Seitenscheibe heruntergedreht und atmete die Düfte ein, die von außen in den Wagen strömten. Benzin und Dieselöl, aber auch eine satte Mischung aus fruchtbarem Ackerboden und Jauche. Nöjd fuhr nur einige hundert Meter auf der großen Straße, dann bog er rechts ab, und hier war die Landluft noch deutlicher zu spüren.
Es roch nach etwas Besonderem.
»Kartoffelkraut und Silos«, erklärte Nöjd. »Erinnert an die Zeit, als man noch ein kleiner Junge war.«
Auf der Fernstraße waren Lastwagen und Personenautos in dichter Folge entlanggerast, hier schien dagegen nur sehr wenig Verkehr zu sein. Das Dunkel der Nacht lag flauschig-weich über der hügeligen Ebene.
Man merkte, daß Nöjd die Strecke Hunderte von Malen entlanggefahren war und jede Kurve genau kannte. Er hielt ein gleichmäßiges Tempo und brauchte kaum auf die Fahrbahn zu blicken.
Er steckte sich eine Zigarette an und reichte Martin Beck das Päckchen hinüber.
»Nein, danke«, sagte Martin Beck. Er hatte in den letzten zwei Jahren kaum mehr als fünf Zigaretten geraucht.
»Wenn ich richtig verstanden habe, willst du im Gasthof wohnen.«
»Ja, das stimmt.«
»Ich habe auf alle Fälle dort ein Zimmer bestellt.«
»Fein.«
Die Lichter einer größeren Ortschaft tauchten vor ihnen auf.
»Wir sind sozusagen da«, erklärte Nöjd. »Dies ist Anderslöv.« Die Straßen waren leer, aber gut beleuchtet.
»Ein Nachtleben gibt es hier nicht. Alles ruhig und friedlich. Schön. Ich habe hier mein ganzes Leben lang gewohnt und habe niemals Grund zur Klage gehabt. Bis jetzt.«
Sieht ziemlich einsam aus, dachte Martin Beck, aber so soll es wohl sein. Nöjd bremste und zeigte auf ein niedriges gelbes Backsteinhaus. »Die Polizeiwache. Jetzt ist sie natürlich geschlossen. Wenn du willst, kann ich öffnen.«
»Nicht meinetwegen.«
»Der Gasthof liegt gleich um die Ecke. Der Garten, an dem wir gerade vorbeigefahren sind, gehört dazu. Aber um diese Zeit hat das Restaurant nicht mehr auf. Wenn du Lust hast, können wir zu mir nach Hause fahren und eine Schnitte essen und ein Bier trinken.«
Martin Beck war nicht hungrig. Auf dem Flug war ihm der
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