Der Polizistenmörder
Butterbrote aufgezwungen, bevor er zur Schule ging, und nicht selten hatte er sich auf dem Schulweg übergeben müssen.
Statt dessen suchte er in der Hosentasche nach einem EinKronen-Stück und steckte es in den Münzschlitz des Spielautomaten, der links vom Eingang stand. Er zog am Handgriff, bekam zwei Kirschen und kassierte seinen Gewinn. Dann verließ er das Gebäude, ging schräg über den mit Kopfsteinpflaster belegten Platz, kam an der staatlichen Verkaufsstelle für Spirituosen vorbei, die noch nicht geöffnet hatte, lief um zwei Straßenecken und stand vor der Polizeiwache. Gleich daneben befand sich offenbar das Feuerwehrhaus, denn ein Leiterauto war vor dem Eingang zum Revier abgestellt worden. Er mußte praktisch unter der Magirusleiter durchkriechen, um ins Haus hineinzukommen. Ein Mann in verschmiertem Overall machte sich an dem Feuerwehrauto zu schaffen.
»Hej!« sagte er freundlich.
Martin Beck zuckte zusammen. Hier ging es offenbar ziemlich unkonventionell zu.
»Hej!« antwortete er.
Die Tür zum Polizeirevier war geschlossen, und an der Glasscheibe hing ein Zettel, auf den jemand etwas mit einem Kugelschreiber aufgeschrieben hatte.
Dienststunden Montag bis Freitag 8.30-12.00 sowie 13.00-14.30 Donnerstag auch 18.00-19.00 Sonnabends geschlossen Die Sonntage wurden nicht erwähnt. Wahrscheinlich fand das Verbrechen an diesem Tage nicht statt, war vielleicht sogar ganz einfach verboten worden.
Martin Beck sah sich nachdenklich das Schild an. Wenn man aus Stockholm kam, konnte man sich so etwas kaum vorstellen.
Vielleicht würde er dann doch noch frühstücken gehen.
»Herrgott kommt gleich«, erklärte ihm der Mann im Overall. »Er ist vor zehn Minuten mit dem Hund rausgegangen.«
Martin Beck nickte.
»Bist du der berühmte Detektiv?«
Die Frage war heikel, und er antwortete nicht gleich.
Der Mann fuhr fort, an dem Feuerwehrauto zu arbeiten. Ohne sich umzudrehen, sagte er: »Nimm es nicht übel. Ich habe nur gehört, daß im Gasthaus ein berühmter Bulle wohnen soll. Und dich kenne ich nicht.«
»Ja, dann bin ich das wohl«, bestätigte Martin Beck zweifelnd.
»Dann wird Folke jetzt eingelocht?«
»Wieso glaubst du das?«
»Na, das wissen doch alle.«
»Wirklich?«
»Schade. Sein geräucherter Hering war einfach Klasse.«
Das Gespräch wurde dadurch beendet, daß der Mann unter das Leiterauto kroch und verschwand.
Wenn das die allgemeine Auffassung« war, dann hatte Nöjd offenbar nicht übertrieben.
Martin Beck blieb stehen und kratzte sich nachdenklich am Kopf.
Nach ein paar Minuten erschien Herrgott Nöjd an der anderen Seite des Feuerwehrautos. Er hatte den Löwenjägerhut, den Martin Beck schon kannte, im Nacken und trug darüber hinaus ein kariertes Flanellhemd, Uniformhosen und leichte Wildlederschuhe. Ein großer weißgrauer Hund zerrte an der Leine. Sie wanden sich unter der Leiter hindurch, und der Hund stellte sich sofort auf die Hinterbeine, legte die Vorderpfoten auf Martin Becks Brust und begann ihm das Gesicht abzulecken.
»Platz, Timmy«, rief Nöjd. »Platz, habe ich gesagt. Dämlicher Köter.« Der Hund war schwer, und Martin Beck machte zwei Schritte rückwärts.
»Platz, Timmy«, wiederholte Nöjd.
Der Hund drehte sich dreimal um sich selbst. Dann setzte er sich widerwillig hin, blickte zu seinem Herrn auf und spitzte die Ohren.
»Wahrscheinlich der miserabelste Polizeihund der ganzen Welt. Aber er ist entschuldigt. Hat keine Ausbildung. Gehorcht nicht. Aber weil ich nun mal Polizist bin, ist er eben Polizeihund. In gewisser Weise.«
Nöjd lachte. Ziemlich grundlos, fand Martin Beck.
›Als HIF hier gespielt hat, habe ich ihn mit auf den Platz genommen.«
»HIF?«
»Helsingborgs Idrotts Förbund, der Sportverein. Du verstehst nichts von Fußball?«
»Sehr wenig.«
»Na ja, er riß sich natürlich los und rannte auf das Spielfeld. Nahm einem der Spieler aus Anderslöv den Ball weg. Das hat beinahe einen handfesten Krach gegeben. Und mich hat der Schiedsrichter ausgeschimpft. Das war das größte Ereignis hier seit mehreren Jahren. Bis jetzt natürlich. Was hätte ich machen sollen? Den Schiedsrichter festnehmen? Ich weiß nicht mal genau, welchen Status ein Schiedsrichter beim Fußball hat, juristisch gesehen.«
Er lachte wieder.
»Ich gehe aufs Spielfeld und nehme den Schiedsrichter fest. Sag einfach: Nöjd, Polizeiinspektor. Willst du so gut ein und mitkommen. Beamtenbeleidigung. Geht doch nicht. Deshalb stand ich da wie ein begossener
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