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Der Polizistenmörder

Der Polizistenmörder

Titel: Der Polizistenmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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auch nur, was ich glaube. Sonst sieht sie so aus.«
    Er steckte die Hand in die Gesäßtasche und zog zwei Fotografien heraus, ein Paßfoto und ein vergrößertes Farbfoto.
    Ehe er die Bilder hinüberreichte, warf er einen kurzen Blick darauf, dann bemerkte er: »Alle beide gut. Ich möchte behaupten, daß sie ein ganz normales Aussehen hat. So wie die Leute meistens aussehen. Recht hübsch eigentlich.«
    Martin Beck betrachtete sie lange. Er bezweifelte, daß Nöjd fähig war, sie mit gleichen Augen zu sehen wie er selbst, was ja im übrigen auch rein technisch unmöglich war.
    Sigbrit Märd war nicht hübsch. Sie war eher häßlich und von plumpem Körperbau. Allerdings tat sie eine Menge, um ihr Aussehen zu verbessern, was ja meistens das Gegenteil bewirkt. Ihre Gesichtszüge waren unregelmäßig und spitz und das Gesicht von Kummer und Gram gezeichnet. Das Paßbild stammte nicht, wie heute üblich, aus einem Fotoautomaten oder von einer Polaroidkamera, sondern war ein typisches Atelierbild. Sie hatte sich große Mühe mit dem Make-up und der Frisur gegeben, und der Fotograf hatte sicher eine ganze Reihe Aufnahmen gemacht, unter denen sie hatte wählen können. Das andere Bild war ein Amateurfoto, aber die Vergrößerung war nicht in einer Maschine angefertigt, sondern geschickt mit einem Retuschierpinsel aufgebessert worden. Es zeigte sie in voller Größe auf einer Kaimauer stehend, und im Hintergrund lag ein Passagierschiff mit zwei Schornsteinen. Sie blinzelte geziert in die Sonne, in der sicheren Hoffnung, so besonders vorteilhaft auszusehen. Zu einer ärmellosen, dünnen grünen Bluse trug sie einen blauen Faltenrock, keine Strümpfe, und über der rechten Schulter hatte sie eine große Sommertasche in Gelb und Braun hängen. An den Füßen hatte sie flache Sandalen. Den rechten Fuß hatte sie ein wenig vorgeschoben.
    »Das ist neu«, erklärte Nöjd. »Im Sommer aufgenommen.«
    »Von wem?«
    »Von einer Freundin. Sie haben zusammen einen Ausflug gemacht.«
    »Offensichtlich nach Rügen. Das ist die Eisenbahnfähre Saßnitz, die dort im Hafenbecken liegt, nicht wahr?«
    Nöjd schien ehrlich verblüfft zu sein.
    »Wie in aller Welt kannst du das wissen? Obwohl ich manchmal Dienst bei der Paßkontrolle gemacht habe, wenn Not am Mann war, kann ich diese Schiffe einfach nicht unterscheiden. Aber du hast recht. Das ist die Saßnitz, und sie haben einen Ausflug nach Rügen gemacht. Man kann Stubbenkammer besichtigen und die Kommunisten anstarren und so. Die sehen wie normale Menschen aus. Viele der Ausflügler sind enttäuscht. Eine Tagestour kostet nur wenige Zehn-Kronen-Scheine.«
    »Wo hast du dieses Bild her?«
    »Habe ich aus ihrem Haus mitgenommen, als wir es durchsucht haben. Sie hatte es mit Klebestreifen an der Wand befestigt. Fand wohl, daß es besonders gut war.«
    Er hielt den Kopf ein wenig schräg und blickte auf das Foto.
    »Das ist ausgesprochen gut. So sieht sie aus. Nettes Mädchen.«
    »Bist du niemals verheiratet gewesen?« fragte Martin Beck plötzlich.
    Nöjd zuckte zusammen.
    »Willst anfangen, mich zu verhören?« Er begann zu lachen. »Das nenne ich von Grund auf mit der Arbeit beginnen.«
    »Entschuldige, das war unhöflich, die Frage hätte ich nicht stellen dürfen.«
    »Ich kann sie trotzdem beantworten. Ich war eine Zeitlang mit einem Mädchen unten aus Abbekäs zusammen. Wir waren verlobt. Sie war hinter mir her wie der Teufel hinter ‘ner armen Seele. Nach drei Monaten hatte ich genug, aber ihr reichte es nach einem halben Jahr immer noch nicht. Ich habe mich dann nur noch um Hunde gekümmert. Da weiß man, was man hat. Es geht auch ohne Frau im Haus, und wenn man sich dran gewöhnt hat, ist es eine gewaltige Erleichterung. Ich empfinde das jeden Morgen, wenn ich aufwache. Sie hat drei Männern das Leben schwergemacht, obwohl sie inzwischen mehrfach Großmutter geworden ist.«
    Er schwieg eine Weile. Dann fuhr er fort: »Es ist langweilig, wenn man keine Kinder hat. Manchmal. Aber häufig ist man auch ganz froh. Auch wenn hier im Ort alles gut und in Ordnung zu sein scheint, so muß man doch sagen, daß in unserem Land ganz allgemein vieles nicht so ist, wie es sein sollte. Ich hätte hier keine Kinder großziehen wollen und frage mich auch, ob es mir überhaupt gelungen wäre.«
    Martin Beck blieb stumm. Sein eigener Beitrag zur Erziehung hatte meist darin bestanden, den Mund zu halten und seine Kinder sich so natürlich wie möglich entwickeln zu lassen. Seine Rechnung war nur

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