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Der Polizistenmörder

Der Polizistenmörder

Titel: Der Polizistenmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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zur Hälfte aufgegangen. Er hatte eine Tochter, die tüchtig und selbständig geworden war und ihn allem Anschein nach gern hatte. Zu dem Sohn dagegen hatte er nie einen guten Draht gehabt. Wenn er ehrlich vor sich selbst war, so mochte er ihn nicht, und der Junge, der gerade achtzehn geworden war, hatte sich ihm gegenüber stets mißtrauisch verhalten, hatte ihn belogen und in den letzten Jahren offen verachtet.
    Der Sohn hieß Rolf. Die meisten Versuche, ein Gespräch anzufangen, endeten mit der Bemerkung: Ach, Alter, es hat doch keinen Zweck, daß ich mit dir zu diskutieren anfange, du begreifst ja doch nicht, was ich meine. Oder: Wenn ich fünfzig Jahre älter wäre, hätte es vielleicht ‘n Sinn, aber wir leben nun mal nicht mehr im 19. Jahrhundert. Oder: Wenn du wenigstens nicht so ‘n Bulle wärst.
    Nöjd hatte sich mit dem Hund beschäftigt, jetzt lächelte er ein wenig.
    »Darf ich eine Gegenfrage stellen?«
    »Selbstverständlich!«
    »Warum hast du gefragt, ob ich verheiratet gewesen bin?«
    »War dumm von mir.«
    Zum erstenmal, seit sie sich kennengelernt hatten, sah der Mann völlig ernst aus, beinahe schon ein wenig beleidigt.
    »Das stimmt nicht. Ich weiß, daß es nicht stimmt. Ich glaube auch zu verstehen, warum du es getan hast.«
    »Warum denn?«
    »Weil du meinst, daß ich nichts von Frauen verstehe.«
    Martin Beck legte die Fotografien weg. Seit er Rhea getroffen hatte, fiel es ihm sehr viel leichter, aufrichtig zu sein.
    »Okay«, sagte er. »Du hast recht.«
    »Gut.« Nöjd steckte sich geistesabwesend eine Zigarette an. »Sehr gut Vielen Dank. Es ist durchaus möglich, daß du recht hast. Ich bin ein Mann, der in seinem Privatleben ohne Frauen gelebt hat. Abgesehen also von meiner Mutter und jenem Fischermädchen aus Abbekäs. Ich habe Frauen immer wie normale Menschen betrachtet, die sich im Prinzip von mir oder anderen Männern nicht unterscheiden. Aber wenn es einige feine Unterschiede gibt, dann habe ich sie möglicherweise übersehen, und weil ich weiß, daß mir da etwas fehlt, habe ich eine Reihe von Büchern und Artikeln gelesen und einiges über die Emanzipationsdebatte. Aber das meiste ist Quatsch, und das, was nicht dummes Gerede ist, ist so selbstverständlich, daß sogar ein Hottentotte es begreifen würde. Das Prinzjp gleicher Lohn für gleiche Arbeit oder die Diskriminierung des weiblichen Geschlechts zum Beispiel.«
    »Warum gerade ein Hottentotte?«
    Nöjd lachte so laut, daß sein Hund aufsprang und ihm das Gesicht zu lecken begann.
    »Einer von den Gemeinderäten hat neulich mal gesagt, daß die Hottentotten das einzige Kulturvolk sind, dem es in zweitausend Jahren nicht gelungen ist, das Rad zu erfinden. Lächerliche Redensart natürlich. Ich brauche dir wohl nicht zu erklären, zu welcher Partei der Betreffende gehört.«
    Martin Beck war das gleichgültig. Er dachte auch nicht daran, zu fragen, zu welcher Partei Nöjd sich zählte. Wenn die Leute über Politik zu reden begannen, verzog er sich stets stumm in eine Ecke.
    Stumm blieb er auch, als dreißig Sekunden später das Telefon klingelte. Nöjd nahm den Hörer ab und meldete sich: »Nöjd?«
    Der andere fragte offenbar etwas.
    »Ja, der sitzt hier bei mir.«
    Martin Beck nahm den Hörer und nannte seinen Namen.
    »Hej. Hier ist Ragnarsson. Wir haben ungefähr hundert Gespräche geführt, bis wir dich fanden. Was liegt denn an?«
    Einer der Nachteile, den der Chef der Reichsmordkommission in Kauf nehmen mußte, war die Tatsache, daß die großen Zeitungen Leute genug hatten, die darüber wachten, wohin man fuhr und aus welchem Grund. Um das zu können, mußten sie bezahlte Spitzel unter den Polizisten haben, was ärgerlich, aber nicht zu unterbinden war. Besonders irritiert darüber war der Reichspolizeichef, gleichzeitig hatte er aber große Angst davor, daß die Sache bekannt werden würde. Nichts durfte an die Öffentlichkeit dringen!
    Ragnarsson war Journalist, einer der besseren und verantwortungsbewußten, was allerdings nicht bedeutete, daß seine Zeitung zu den besseren und ehrlichen gehörte.
    »Warum antwortest du nicht«, fragte Ragnarsson.
    »Ein Mensch ist verschwunden.«
    »Verschwunden? Tagtäglich verschwinden Leute, ohne daß du dich gleich auf die Reise machst. Übrigens hörte ich, daß Kollberg ebenfalls unterwegs ist. Da stimmt doch was nicht.«
    »Vielleicht. Vielleicht nicht.«
    »Wir schicken ein paar Mann runter. Da mußt du dich drauf einstellen. Mehr wollte ich nicht sagen. Ich will nichts

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