Der Polizistenmörder
Jedenfalls ihr gegenüber habe ich Stein und Bein geschworen, daß ich nie ein Mädchen auch nur angesehen hätte. Und ich würde das auch jetzt noch nicht zugeben, wenn es nicht sowieso zu spät wäre. Jetzt spielt es keine Rolle mehr.«
»Weil Sigbrit tot ist, meinen Sie?«
Wenn Martin Beck erwartet hatte, daß der andere einen Wutanfall bekäme, so hatte er sich geirrt. Märd trank einen kleinen Schluck aus seinem Glas, das er mit ruhiger Hand hielt.
»Sie wollen mich wohl in die Falle locken. Aber das klappt nicht. Einerseits, weil ich, wie gesagt, auf der Eisenbahnfähre war, und andererseits glaube ich nicht daran, daß Sigbrit tot ist.«
»Was glauben Sie denn?«
»Das weiß ich nicht. Aber ich weiß bestimmte Dinge, an die Sie überhaupt noch nicht gedacht haben.«
»Zum Beispiel?«
»Sigbrit hält sich für was Besseres. Es gefiel ihr, Kapitänsfrau zu sein und da in dem feinen Haus zu wohnen. Mit ihrem Gehalt und meinem ging das auch gut. Nebenher hatte ich auch noch genug Geld. Dann wurden wir geschieden, und das war vielleicht gut so, aber ich sah nicht ein, daß sie auch noch bezahlt bekommen sollte dafür, daß sie mich los war. Unterhalt oder so was hat sie also nicht bekommen, und deshalb hat sie nach der Scheidung nur noch wenig Geld in den Fingern gehabt.«
»Warum wurden Sie geschieden?«
»Ich hielt es nicht aus, da in dem verfluchten Bauerndorf zu hocken und nichts zu tun zu haben. Da habe ich nur getrunken und nach ihr gerufen, damit sie meine Schuhe putzt und die Betten macht, und habe sie vertrimmt, und da hatte sie bald die Nase voll. Kann man sich vorstellen.
Mir hat das hinterher sehr leid getan. Hier kann ich nun sitzen und mir Vorwürfe machen. Auch darüber, daß ich fünfzehn Jahre lang jeden Tag zwei Flaschen ausgetrunken habe. Prost!«
Märd schüttete den Inhalt des Glases in sich hinein. Das waren ungefähr drei Deziliter sechzigprozentiger Schnaps, den er wie Wasser trank, ohne mit der Wimper zu zucken.
»Eines ist mir noch unklar«, sagte Martin Beck.
»Nämlich?«
»Waren Sie nach der Scheidung sexuell noch mit ihr zusammen?«
»Allerdings. Ich bin mehrmals hinausgefahren und habe sie aufs Kreuz gelegt. Aber das ist lange her. Mindestens anderthalb Jahre.«
»Was hat sie denn dazu gesagt?«
»Sie meinte immer noch, daß es so sei, als ob man von einer Schnellzuglokomotive überfahren wird. Spitze. Jedesmal ging es besser, und eine Zeitlang habe ich geglaubt, daß man den Riß noch mal kitten könnte. Aber jetzt ist es zu spät.«
»Warum?«
»Viele Gründe. Unter anderem, weil ich krank bin. Aber auch, weil es eigentlich nichts zusammenzufügen gibt. Ein Verhältnis, das zum großen Teil auf Lügen aufgebaut war, was ist das schon wert? Auch wenn nur ich derjenige war, der gelogen hat. Trotzdem liebe ich Sigbrit immer noch.«
Martin Beck überlegte lange. Dann sagte er: »Kapitän Märd, Sie scheinen nach dem, was Sie selbst erzählt haben, viel Erfahrung mit Frauen zu haben.«
»Ja, so kann man es auch ausdrücken. Gute Nutten können eines, nämlich ficken. Und dann?«
»War oder ist Ihre Frau sexuell gesehen besonders anziehend?«
»Aber sicher. Ich habe nicht umsonst jedes Jahr einen ganzen Monat in Anderslöv verbracht.«
Martin Beck fühlte sich unsicher. Je länger das Gespräch dauerte, um so weniger wußte er, woran er war und was er glauben sollte. Er wußte nicht mal mehr ganz sicher, ob er Märd böse sein konnte.
»Das mit den hundertacht Ländern imponiert mir«, sagte er. »Daß Sie das wirklich behalten haben.«
Märd griff in die Gesäßtasche und zog etwas heraus. Es war ein kleines, in Leder gebundenes Notizbuch, beinahe so dick wie ein Gesangbuch.
»Ich führte Buch über solche Sachen, habe ich vorhin doch gesagt. Gukken Sie mal.«
Er blätterte in dem Buch, das teilweise mit Notizen gefüllt schien. Die Seiten waren dicht beschrieben.
»Hier«, zeigte Märd, »da steht die ganze Liste. Fängt an mit Schweden, Finnland, Polen und Dänemark und schließt mit Ras AI Kaima, Malta, Südjemen und Obervolta. Auf Malta war ich schon oft gewesen, aber ich habe es erst auf die Liste gesetzt, als die Insel selbständig wurde. Das ist ein prima, prima Notizbuch. Habe ich vor mehr als zwanzig Jahren in Singapur gekauft und seitdem nie mehr ein gleichwertiges gesehen.«
Er steckte das Buch wieder ein und sagte: »Das ist sozusagen das Logbuch meines Lebens. Mehr wird für ein Menschenleben nicht benötigt. Für die meisten genügt ein noch
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