Der Polizistenmörder
sagte Kollberg. »Ist ziemlich wenig für einen Totschlag.«
»Justifiable homicide«, wiederholte Nöjd. »Wie sagt man auf schwedisch? Wir haben bei uns den Notwehrparagraphen. Ist im Prinzip das gleiche. Aber das ist nicht richtig übersetzt«
»Das ist nicht übersetzbar«, erklärte Martin Beck.
»Das ist ein Begriff, den es nicht gibt«, meinte Kollberg.
»Glaubst du«, lachte Nöjd. »In den Staaten gibt es den aber, das weiß ich genau. Jedesmal wenn die Polizei einen umlegt, wird das als Justifiable homicide bezeichnet. Berechtigtes Töten oder wie man es nennen soll. Das passiert jeden Tag.«
Im Zimmer wurde es mit einemmal sehr still.
Kollberg schob angeekelt den kleinen Teller mit dem zur Hälfte aufgegessenen Butterbrot zur Seite.
Sein Blick war leer, und er saß zusammengesunken im Sessel, die Unterarme auf die Schenkel gestützt und die Hände zwischen den Knien baumelnd.
»Was ist?« fragte Nöjd.
»Du hast an der falschen Stelle gelacht«, antwortete Martin Beck.
Nöjd verstand nicht, was für einen Fehler er gemacht hatte, aber er begriff, daß er nicht weitersprechen durfte. Jedenfalls nicht in diesem Augenblick.
Martin Beck betrachtete seinen alten Freund bekümmert und aufmerksam, sagte aber ebenfalls nichts.
Nöjd rauchte seine Zigarette zu Ende, steckte sich eine neue an und rauchte sie ebenfalls auf. Dann tat er eine ganze Weile gar nichts. Martin Beck blickte immer noch auf Kollberg.
Endlich zuckte Kollberg die Achseln. »Entschuldige, Herrgott Manchmal kann ich nicht anders. Das ist ungefähr so, als ob man an Epilepsie leidet. Ich kann nichts dafür.«
Er trank sein Bier aus und wischte sich mit dem Handrücken den Schaum von den Lippen.
»Wo waren wir stehengeblieben?« fuhr er fort. »Märd hat nur ein mieses Alibi, also eigentlich gar keins. Und er ist als Schläger bekannt. Aber hat er ein Motiv?«
»Eifersucht«, meinte Martin Beck.
»Auf wen?«
»Bertil Märd könnte auf eine Katze eifersüchtig werden.« Nöjd versuchte schüchtern zu lachen. »Deswegen haben sie ja auch keine Katze angeschafft.«
»Bringt uns nicht viel weiter«, sagte Kollberg.
»Hoppla«, sagte Nöjd, als Timmy ihm das Schinkenbrot aus der Hand schnappte und schnell hinunterwürgte.
Martin Beck brach in schallendes Gelächter aus.
»Platz, Timmy«, befahl Nöjd. »Das will ein Polizeihund sein. Habt ihr gesehen, wie er mir das Schinkenbrot so einfach aus der Hand geklaut hat? Interessierst du dich für Lennart?«
»Nein«, antwortete Kollberg und lachte, daß sein Bauch wakkelte.
»Na, dann will ich dich nicht mit der Geschichte von HIF langweilen. Bleibt also Folke.«
»Folke Bengtsson hat kein Alibi, und er ist als gewalttätig bekannt. Aber sein Motiv?«
»Jemand, der nicht richtig tickt, braucht kein Motiv«, meinte Nöjd.
»Bei Roseanna McGraw, der Toten im Götakanal, war sein Motiv sehr hintergründig und kompliziert«, gab Martin Beck zu bedenken.
»Nicht doch, Martin«, widersprach Kollberg. »Es gibt in dem Fall eine Frage, die du und ich niemals durchgesprochen haben, an die ich aber viele Male gedacht habe. Du bist überzeugt davon, daß Folke Bengtsson schuldig war. Ich bin ebenfalls überzeugt. Aber wie war es denn mit den Beweisen? Er hat es dir gegenüber zwar zugegeben, nachdem ich ihm den Arm gebrochen hatte und nachdem wir ihn bis zum Wahnsinn provoziert hatten. Vor Gericht hat er aber nie gestanden. Ohne Zweifel steht fest, daß er eine Polizeibeamtin, die ihn auf unsere Anweisung zu sich locken und verführen sollte, und die praktisch nackt war, als er in ihre Wohnung kam, versucht hat zu vergewaltigen und möglicherweise zu erwürgen. Aber bitte, nur möglicherweise. Ich bin immer der Meinung gewesen, daß Folke Bengtsson in einem Rechtsstaat niemals für den Mord an Roseanna hätte verurteilt werden dürfen. Die Beweise reichten nicht aus. Außerdem war er ein Fall für den Psychiater, wurde aber nicht ins Krankenhaus, sondern ins Gefängnis geschickt.«
»Worauf willst du hinaus?«
»Begreifst du das nicht? Du und ich und einige andere, so auch der Richter, der ihn verurteilt hat, waren überzeugt, daß er ein Mörder war, aber wir hatten keine hieb und stichfesten Beweise. Das ist ein großer Unterschied.«
»Man hat unter anderem ihre Sonnenbrille bei ihm gefunden.«
»Ein tüchtiger Verteidiger hätte diesen Beweis in der Luft zerrissen. Und gerechte Richter hätten die Anklage fallenlassen. In einem Rechtsstaat…«
Kollberg schwieg.
»Trinidat-Tobago
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