Der Polizistenmörder
mehr abwenden, und einen Moment sahen sie sich an.
Martin Beck schob den Teller von sich weg und trank sein Bier aus.
Im Augenblick, als er das Glas absetzte, faltete der Mann seine Zeitung zusammen, stand auf und kam an ihren Tisch.
»Ich weiß nicht, ob ihr euch an mich erinnert.«
Martin Beck sah den Mann forschend an und schüttelte den Kopf. Kollberg wartete ab.
»Ake Gunnarsson. Allerdings heiße ich jetzt Boman.«
Sie konnten sich sehr gut an ihn erinnern. Vor sechs Jahren hatte er bei einer Schlägerei einen Journalistenkollegen getötet, der Alf Matsson hieß. Beide waren betrunken gewesen. Gunnarsson war von Matsson stark provoziert worden, und die Sache war eigentlich eher eine Art Unglücksfall gewesen. Nach Überwindung des ersten Schocks hatte Gunnarsson kaltblütig und intelligent versucht, die Spuren seiner Tat zu verwischen. Martin Beck war mit den Ermittlungen beauftragt worden und hatte unter anderem eine Woche in Budapest verbracht, ehe er Gunnarsson auf die Spur gekommen war. Kollberg war bei der Festnahme dabeigewesen. Für beide war es eine wenig erfreuliche Aufgabe, denn sie hatten in Gunnarsson einen sympathischen Mann kennengelernt, der eher das Opfer unglücklicher Umstände als ein kaltblütiger Mörder gewesen war.
Damals hatte Gunnarsson einen Bart und kurze Haare getragen und war ziemlich fett gewesen.
»Setz dich zu uns«, sagte Martin Beck und nahm die Zeitung von dem Stuhl neben sich.
Der Mann nahm an ihrem Tisch Platz.
»Du hast dich verändert«, stellte Kollberg fest. »Unter anderem bist du schlanker geworden.«
»Das hat sich so ergeben. Aber darüber hinaus habe ich bewußt mein Aussehen verändert; mit Erfolg, wenn ihr mich nicht erkannt habt.«
»Wieso gerade Boman?« erkundigte sich Kollberg.
»Der Mädchenname meiner Mutter. Das war am einfachsten. Jetzt habe ich mich daran gewöhnt und meinen alten Namen beinahe vergessen. Ich wäre euch dankbar, wenn ihr das auch tun würdet.«
»Okay, Boman«, stimmte Kollberg zu.
Martin Beck dachte über den Zufall nach, daß Kollberg und er nach so langen Jahren ausgerechnet den beiden Männern wiederbegegnen sollten, deren Festnahme zu ihren schwierigsten Aufgaben gehört hatte. Und das an einem Ort wie Anderslöv.
»Was tust du hier in Anderslöv?« fragte er. »Wohnst du hier?«
»Nein«, antwortete Ake Boman, »eigentlich bin ich hier, um euch zu interviewen. Ich wohne in Trelleborg. Arbeite zur Zeit bei Trelleborgs Allehanda. Der Text da auf der ersten Seite, den ihr gerade gelesen habt, stammt von mir.«
»Bist du nicht Motorjournalist gewesen?«
»Ja, aber bei so einem Käseblatt muß man alles mögliche tun. Ich habe Glück gehabt, daß ich die Stelle hier bekam. Mein Bewährungshelfer hat mir dazu verholfen.«
Die Kellnerin kam und deckte den Tisch ab. Kollberg fragte: »Wollt ihr Kaffee haben?«
»Okay«, antworteten Ake Boman und Martin Beck gleichzeitig.
»Du willst vielleicht einen Cognac?«
Äke Boman schüttelte den Kopf, und die Kellnerin verschwand in die Küche.
»Trinkst nicht im Dienst, wie?«
»Ich trinke überhaupt nichts mehr. Nicht mehr seit…« Er beendete den Satz nicht, zog eine Büchse Gapstan heraus und begann seine Pfeife zu stopfen.
»Wie lange bist du schon bei der Zeitung?« fragte Martin Beck.
»Seit anderthalb Jahren. Ich wurde, wie ihr vielleicht noch wißt, zu sechs Jahren verurteilt. Totschlag. Saß drei Jahre ab, bekam automatisch Strafverkürzung und wurde dann auf Bewährung entlassen. Die erste Zeit draußen war fürchterlich. Beinahe schlimmer als im Gefängnis, und da war es schon unbeschreiblich. Ich wußte nicht, was ich mit mir anfangen sollte, wußte nur, daß ich nicht wieder nach Stockholm wollte. Erst mal, weil mich da so viele kannten, und außerdem wäre es dann wieder losgegangen mit dem Schnaps und den Kneipen… na, ihr wißt schon. Nach einiger Zeit bekam ich Arbeit in einer Autowerkstatt in Trelleborg und eine Bewährungshelferin, die einfach Klasse war. Sie überredete mich, wieder mit dem Schreiben anzufangen, und dann bekam ich diesen Job. Nur der Chefredakteur und zwei andere Leute in der Stadt wissen… ich habe wirklich großes Glück gehabt.« Aber er sah nicht besonders fröhlich oder glücklich aus. Sie tranken schweigend ihren Kaffee.
»Ist das dein Sportwagen, der da draußen steht?« fragte Kollberg. Ake Boman antwortete voller Stolz: »Ja, ein Singer. Der stand im Stall auf einem Gut oben bei Önnestad, wo ich im Sommer gearbeitet
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