Der Polizistenmörder
einfache Erklärung. Kollberg hatte nämlich, wie versprochen, in Trelleborg angerufen und ihm den Zeitpunkt durchgegeben.
Auf halbem Weg nach Domme verlangsamte Nöjd das Tempo, fuhr auf den Seitenstreifen und hielt an. Er stieg aus, sprang über den Graben und verschwand hinter einem kleinen Gebüsch. Nach etwa einer Minute kam er zurück und rückte ohne eine Miene zu verziehen seine Hose zurecht, während ihn die Menschen aus der langen Autoschlange anstarrten, und einige von ihnen sich offensichtlich nicht schlüssig waren, ob sie auch aussteigen sollten oder nicht.
Nöjd ging zum Streifenwagen, beugte sich herab und erklärte: »Nur ein Scheinmanöver. Ich wollte sehen, ob auch keiner aus der Kolonne ausbricht.«
Er musterte mit finsterer Miene die Leute in den Autos dahinter. Dann ging er zurück zu seinem Wagen und fuhr weiter. Sowohl Kollberg als Martin Beck sahen, wie seine Schultern zuckten. Offenbar lachte er lauthals vor sich hin.
»Der Mann ist zu beneiden«, sagte Kollberg. »Der hat Humor.«
»Ja«, bestätigte der Polizeiassistent plötzlich, »das kann man wirklich sagen. Unter ihm zu arbeiten ist das reine Vergnügen, und das sage ich nicht nur so dahin. Man hat bei ihm nie das Gefühl, Untergebener zu sein. Ich liege vier Tarifgruppen unter ihm, aber das läßt er einen nicht merken.«
Martin Beck wußte, daß der Mann am Steuer Evert Johansson hieß, aber das war auch alles. Er fragte: »Wie lange bist du schon bei der Polizei?«
»Sechs Jahre. Andere Arbeit fand ich damals nicht. Es hört sich vielleicht schlecht an, wenn ich das so sage, aber ich habe früher in Malmö Dienst getan, und das war die reinste Hölle. Die Leute haben einen angesehen, als ob man kein normaler Mensch sei, und ich habe selbst gemerkt, wie ich mich verändert hatte. Ich war bei einer Demonstration 1969 dabei, da haben wir wie die Verrückten mit Gummiknüppeln auf die Leute eingedroschen. Ich selbst habe ein Mädchen geschlagen, die war sicher nicht älter als siebzehn und hatte außerdem ein kleines Kind bei sich.« Martin Beck blickte auf Evert Johansson, einen jungen Mann mit hellen, wachen Augen.
Kollberg seufzte und schwieg.
»Ich habe mich sogar hinterher im Fernsehen gesehen. Das war so fürchterlich, daß man hätte hingehen und sich aufhängen können. Am gleichen Abend entschloß ich mich zu kündigen, aber…«
»Ja?«
»Na, ich habe eine sehr gute Frau. Sie hatte die Idee, ich sollte mich versetzen lassen, am besten in ein kleineres Nest. Und ich hatte Glück. Bekam die Stelle hier. Sonst wäre ich heute nicht mehr bei der Polizei.«
Nöjd bog nach rechts ab, und dann waren sie am Ziel.
Das Haus war klein und alt, sah aber gepflegt aus. Ein Stück von der Einfahrt entfernt stand Ake Bomans Sportwagen. Er selbst saß lesend auf dem Vordersitz.
Folke Bengtsson stand beim Hühnerhaus mit einem Spaten in der Hand. Er trug einen Overall und Lederstiefel und hatte eine karierte Mütze auf dem Kopf.
Nöjd öffnete den Kofferraum seines Wagens und nahm eine Plasttüte heraus.
Martin Beck überlegte, was sie wohl enthalten mochte.
»Kümmere du dich um den Hund, Evert«, sagte Nöjd. »Ich weiß, das ist kein schöner Auftrag, aber unser ist nicht viel besser. Und versuche, all die Leute vom Grundstück fernzuhalten.«
Dann ging er durch das Gartentor. Martin Beck und Kollberg folgten ihm. Kollberg machte es sorgfältig hinter sich zu.
Folke Bengtsson legte den Spaten hin und kam ihnen entgegen.
»Hej, Folke«, grüßte Nöjd.
»’n Tag«, sagte Folke Bengtsson nur.
»Wollen wir hineingehen und uns ein wenig unterhalten?«
»Sprechen?«
»Ja. Wir haben alle Papiere und so. Aber du kennst mich ja. Ich wäre nicht gekommen, wenn es nicht notwendig wäre.«
»Na, dann bitte sehr, kommt rein.«
»Danke«, sagte Martin Beck. Kollberg sagte nichts.
Als sie durch die Tür getreten waren, nahm Nöjd ein Paar Schuhe aus der Plasttüte, zog seine Stiefel aus und stellte sie neben die Tür. Martin Beck sah nachdenklich aus.
Er wußte verdammt wenig von den Sitten und Gebräuchen auf dem Lande. Außerdem warf er sich vor, nicht schnell genug die Schlußfolgerung gezogen zu haben. Man besucht jemanden und hat Stiefel an. Also bringt man ein Paar Schuhe mit.
Folke Bengtsson zog sich ebenfalls die Stiefel aus.
»Wir setzen uns wohl ins Wohnzimmer«, sagte er tonlos. Martin Beck blickte sich im Zimmer um, das spartanisch eingerichtet, aber gut aufgeräumt war. Die einzigen kostspieligeren Gegenstände
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