Der Polizistenmörder
beschnitten. Nöjd dagegen lagen düstere Grübeleien und eisiges Schweigen nicht. Er schob dem Festgenommenen den Plastbecher mit Kaffee hin.
»Lang mal ordentlich zu, Folke. Hier oben kannst du dich noch immer als freier Mann betrachten.«
Er lächelte und fuhr fort: »Jedenfalls den Umständen entsprechend. Wenn du versuchst auszureißen, werden wir natürlich was dagegen unternehmen.«
Kollberg grunzte. Er erinnerte sich sehr gut an einen Vorfall, als Folke Bengtsson versucht hatte wegzulaufen.
Damals war es ausgerechnet Lennart Kollberg, der alte Fallschirmjäger und Nahkampfspezialist gewesen, der sich gezwungen sah einzugreifen.
»Ich sehne mich nach Hause«, sagte er plötzlich.
Das kam ganz spontan, ohne daß er eigentlich wußte, was er meinte.
Es stimmte, daß er sich nach seiner Frau und seinen Kindern sehnte, und ebenso richtig war, daß er keine große Lust hatte, sich mit Folke Bengtsson und diesem ganzen Fall zu befassen. Aber viel tiefer saß seine Abneigung gegen die Umstände, unter denen er zur Zeit zu leben und zu arbeiten gezwungen war.
Das Haus in dem Stadtteil, in dem er wohnte, nur einen Steinwurf von der U-Bahn-Station entfernt, bot keinen Anlaß, sich danach zu sehnen, noch weniger die tägliche Konfrontation mit der Polizei und den Leuten, die gegen das Gesetz revoltierten. Manchmal hatte er den Eindruck, daß seine Frau und seine Kinder das einzig Normale in seinem Leben waren. Darüber hinaus schien die Welt nur aus Verbrechern und Polizisten zu bestehen. Und in diesem Augenblick richtete sich sein Abscheu gegen diese beiden Gruppen gleichzeitig und gleich stark.
Das ist nicht wahr, dachte er. Das Leben kann kein Gangsterfilm sein, in dem es nur zwei Sorten von Menschen gibt.
Das Telefon klingelte, und Nöjd nahm den Hörer ab.
»Nein, niemand hat etwas gestanden. Ja, wir haben einen Mann zum Verhör geholt. Mehr kann ich nicht sagen.«
Er legte auf und blickte auf seine silberne Uhr, dann sagte er: »Wir haben nicht mehr viel Zeit, Folke. Wenn du etwas über Sigbrit Märd weißt, so würde ich vorschlagen, daß du uns das jetzt erzählst. Das würde alles so verdammt viel einfacher machen.«
»Ich weiß tatsächlich nichts«, erwiderte Folke Bengtsson.
Martin Beck betrachtete ihn. Ich weiß nichts. Bengtsson hatte sich nicht verändert. Sie würden gezwungen sein, ihn Stunde um Stunde, tagaus, tagein zu verhören, und er würde keine Aussagen machen, mit Ausnahme der Angaben, die ihm ganz sicher nachgewiesen werden konnten. Vielleicht nicht einmal die.
»Aber ich kann sie nicht leiden. Nein, das kann ich nicht.«
»Mit dieser Antwort machst du deinem Verteidiger keine besondere Freude«, gab Nöjd zu bedenken und streichelte den Hund, der zu seinen Füßen lag.
»Ich würde dich um alles in der Welt nicht verteidigen wollen.«
Das Telefon klingelte noch einmal, ehe die Kriminalbeamten aus Trelleborg kamen und Bengtsson in aller Form festnahmen.
»Das ist dein Kamerad aus Stockholm«, sagte Nöjd leise mit der Hand über dem Mikrofon.
Martin Beck nahm den Hörer.
»Läuft alles wie am Schnürchen, höre ich«, sagte Malm.
»Findest du?«
»Nun spiel doch nicht die beleidigte Leberwurst. Du bist wirklich komisch geworden, seit du die Beförderung verpaßt hast.«
Wie dumm darf man sich eigentlich aufführen, dachte Martin Beck.
»Aber deshalb rufe ich nicht an«, fuhr Malm säuerlich fort. »Es geht um eine andere Sache, die sonderbar aussieht und höheren Orts schon Aufsehen erregt hat.«
»Was denn?«
»Eine Zeitung schreibt, daß ihr einen Mann bevorzugt, der eigentlich ein Mörder ist, jetzt aber als Reporter arbeitet. Einen gewissen Gunnarsson.«
»Boman heißt er. Und der Zufall will es, daß ich ihn von früher her kenne.«
»Verurteilt, weil er jemanden erwürgt hat, vor kurzem freigelassen und nun eine Art Adjutant der Reichsmordkommission, steht hier. Ich habe die Zeitung vor mir liegen. Ich brauche wohl nicht zu betonen, daß wir der Ansicht sind, daß so etwas sehr schlecht aussieht?«
»Und ich brauche wohl nicht zu sagen, daß eure Ansichten mir höchst gleichgültig sind«, antwortete Martin Beck.
»Was man auch immer sagt, du bekommst es in den falschen Hals«, beklagte sich Malm.
»Auf Wiedersehen.«
Den Rest des Tages verbrachten sie in Trelleborg, ziemlich sinnlose Stunden.
Martin Beck entschied, daß er mit dem Verhör später beginnen würde. Folke Bengtsson wurde in Haft genommen.
Am nächsten Morgen begann die Polizei damit, seinen
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