Der Polizistenmörder
sie für angeberisch und hochmütig gehalten hatte.
Niemand von den fünfen glaubte allerdings, daß sie ein Verhältnis oder sonst irgendeine Verbindung zu Männern gehabt hatte. Von einem Kaj war nie die Rede gewesen, und einen beigefarbenen Volvo hatten sie im Zusammenhang mit Sigbrit Märd niemals gesehen.
Martin Beck verließ die Konditorei und ging zum Hafen hinunter. Das Becken für die Fährschiffe war leer.
Langsam ging er hinüber zum Polizeigebäude. Die Uhr war zwei, und das bedeutete, daß seine Chancen, Kollberg bei Folke Bengtsson zu finden, nicht sehr groß waren. Kollberg ließ es sich nicht nehmen, regelmäßig um die Mittagszeit zum Essen zu gehen.
Die Aussicht, wieder mit Bengtsson sprechen zu müssen, war alles andere als verlockend, aber es war notwendig, und diesmal konnte er konkrete Fragen stellen, und es bestand die Hoffnung, daß Bengtsson zu einer gewissen Zusammenarbeit bereit war.
Er warf einen Blick ins Kosmopolit, das Restaurant, das im gleichen Block wie das Polizeigebäude lag. Kollberg war nicht dort, aber er erkannte einige Kriminalbeamte, die an einem Ecktisch saßen und Heringsfilet und Kartoffelbrei aßen. Oder Sill, wie man hierzulande sagte. Sie nickten ihm zu, und er hob die Hand zum Gruß, ehe er die Tür wieder hinter sich schloß.
Folke Bengtsson befand sich in Untersuchungshaft.
Martin Beck bekam ein Zimmer mit Aussicht über den Hafen, und während er daraufwartete, daß Bengtsson gebracht wurde, blickte er aus dem Fenster.
Am Kai lag ein kleiner deutscher Frachter. Eine Frau trat hinaus auf das Deck und schüttete einen Abfalleimer an der Wasserseite aus. Eine einsame Möwe, die träge gegen den Wind segelte, tauchte sofort auf die Wasseroberfläche hinab, flog wieder auf mit etwas Langem, Schlaffem im Schnabel und zog eine weite Kurve. Die Frau blieb mit dem Eimer in der Hand stehen und sah der Möwe nach. Nach einer knappen Minute war eine ganze Schar von Möwen versammelt; sie schrien und schlugen mit den Flügeln, während sie um die besten Happen kämpften. Die Frau verschwand durch die Tür zum Mannschaftslogis.
Folke Bengtsson war ruhig und gefaßt und begrüßte Martin Beck höflich, bevor er sich auf den Besucherstuhl vor dem Schreibtisch setzte.
»Kriminalinspektor Kollberg war am Vormittag hier und hat mich verhört«, erklärte er. »Ich weiß nicht, was ich außer dem, was ich schon gesagt habe, noch sagen soll. Ich habe sie wirklich nicht umgebracht, das ist das einzige, was ich sagen kann.«
»Ich bin gekommen, um nach einer ganz bestimmten Sache zu fragen. Es geht um etwas, das Sie gesagt haben, als wir uns vor zehn Tagen bei Ihnen in Domme unterhalten haben.«
Folke Bengtsson blickte Martin Beck aufmerksam und abwartend an. Er saß kerzengerade da, hatte die Hände über den Knien gefaltet und sah wie ein braver Schuljunge aus, der auf die Frage des Lehrers wartet, wie Martin Beck unwillkürlich denken mußte.
»Sie haben bei der Gelegenheit gesagt, daß Sie Frau Märds geschiedenen Mann zweimal gesehen hätten, ist das richtig?«
»Ja, das ist richtig. Ich habe ihn zweimal gesehen.«
»Können Sie dazu etwas mehr sagen? Erinnern Sie sich, wann das war?«
Folke Bengtsson saß eine Weile ganz ruhig auf seinem Stuhl und dachte nach. Schließlich antwortete er: »Das erstemal im Frühjahr. Am letzten Sonntag im Mai. Ich kann mich daran erinnern, weil es am Muttertag war und ich im Ort gewesen war, um meine Mutter in Södertälje anzurufen. Ich rufe jedesmal an ihrem Geburtstag und am Muttertag an.«
Er verstummte und war in Gedanken weit weg. Martin Beck wartete. Schließlich fragte er:
»Ja? Und da haben Sie Märd also gesehen? Können Sie erzählen, wie das vor sich ging?«
»Ja. Ich hatte den Wagen hineingefahren und ging zurück, um das Gartentor zu schließen. Da bog ein beiger Volvo in den Weg ein, und weil er ziemlich langsam fuhr, blieb ich stehen und überlegte, ob er vielleicht zu mir wollte. Nicht daß ich jemanden erwartete, es war ja Sonntag, aber manchmal kommen Leute und fragen, ob sie Fisch oder Eier kaufen können.«
»Aus welcher Richtung kam das Auto?«
»Aus Richtung Malmö.«
»Haben Sie gesehen, wer am Steuer saß?«
»Ja, ihr Mann, das habe ich doch gesagt.«
Martin Beck ließ den Mann vor sich nicht aus den Augen.
»Wie sah er aus?«
Folke Bengtsson saß wieder einen Moment schweigend da, so als ob er die Frage nicht gehört hätte. Dann antwortete er: »Ich hatte davon gehört, daß er Kapitän gewesen
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