Der Portwein-Erbe
er hatte sich in etwas hineinmanövriert, aus dem er nicht herauskam, außer er annullierte den Erbvertrag. Dann
gewännen die, die ihm Steine in den Weg legten. Sie wollten die Quinta haben und sie kämpften darum. Rechtlich hatten sie
keine Chance, also mussten sie ihn ausschalten. Hatte Friedrich gewollt, dass er sich mit ihnen um die Quinta prügeln sollte?
Ich werde es nie erfahren, dachte er, |269| ich habe keinen Plan, keine Idee, wie es weitergehen soll – sie handeln, ich reagiere.
Nicolas schlenderte über die Brücke, die über dem Fluss außen am Restaurant vorbeiführte, und betrachtete die Gäste hinter
Glas. Sie vermittelten den üblichen »Schau, wir sind auch hier«-Eindruck. Man ließ seine Geschäftspartner übers Wasser blicken
und schenkte ihnen guten Wein ein. Aus eigenem Antrieb kam wohl niemand her. Er trat ein, sah sich um und empfand die Atmosphäre
als viel entspannter als anderswo.
Leider zeigten die Ober dieses »Sie speisen in einem wirklich ausgezeichneten Restaurant«-Gesicht. Es ging um die Show und
nicht ums Essen. Aber ob gegenüber, auf der anderen Seite der Uferstraße, genauso gut gekocht wurde, war fraglich. Nicolas
bekam die Speisekarte, die
ementa
, und wunderte sich über den merkwürdigen Namen.
Ementa
klang völlig fremd. Er sah aus dem Fenster auf den breiten Fluss, bestellte Wasser und musste sich eingestehen, dass es ihm
hier gefiel – von innen besser als von außen. Es wurde lebhaft getafelt, kein Tisch war ohne mehrere Weinflaschen und halbvolle
Gläser, die Szenerie hatte Partycharakter.
Zwei junge Geschäftsleute wurden zum Nebentisch geführt. Sie hängten die Sakkos über die Lehne, lockerten die Krawatten und
ließen sich nieder. Es waren Deutsche, Nicolas meinte es ihnen anzusehen, Junior-Manager, vielleicht Finanz- oder Versicherungsgewerbe,
der Typ, den der Vater auf der mittleren Ebene einsetzte. Sie machten die Arbeit, aber hatten nichts zu sagen. Steif waren
die beiden, gingen im Gegensatz zu den anderen Gästen geschäftlich miteinander um, verhalten und förmlich. Bei ihren ersten
Worten fand Nicolas seinen Eindruck bestätigt. Zuerst ließen sie sich über den Komfort des »Vintage House Hotels« aus, das
interessierte Nicolas weniger. Als sie über Portwein sprachen, machte er lange Ohren, als sie auf den Umbau |270| einer Quinta zu einem Luxushotel kamen, rückte Nicolas näher. Er hielt die Luft an, starrte Löcher in die Glasscheibe, vertröstete
den Ober und machte das unbeteiligteste Gesicht seines Leben, dabei spürte er sich so schwindelig wie neulich beim Erdrutsch.
Ihr Thema war die Quinta do Amanhecer und wie man den Kaufpreis drücken konnte. Nicolas holte sich eine portugiesische Zeitung
und tat, als würde er lesen. Die Junior-Manager sprachen über das Ziel ihrer Auftraggeber, die Quinta, ohne Zweifel seine
Quinta, zu einem Fünfsternehotel der Luxusklasse umzubauen. Die Lage sei ideal, der Pool würde vor die Halle mit den Gärtanks
kommen, zweistöckige Apartments seien etwas Neues, den Platz davor würde man bepflanzen. Sie rechneten mit einer zweijährigen
Bauphase. Mit einem guten Architekten sei das zu schaffen.
Nicolas drehte sich entsetzt um, er musste diesen Männern ins Gesicht sehen. Sie wollten Friedrichs Lebenswerk, seine eigene
Quinta, zu einem Teil des weltweiten Unterhaltungsprogramms degradieren. Teufel.
»Moderner als das ›Vintage House‹, sehr modern, für die lukrative Zielgruppe ab 30. Die Gruppe junger US-Millionäre ist beträchtlich
gewachsen, weltweit sind es . . .«
Seine Quinta – zum ersten Mal dachte er so: seine Quinta! Nicht Friedrichs, nein, sie gehörte ihm! Weder Dona Madalena noch
Gonçalves, nicht Dona Firminas Ehemann oder sonst wem. Es war sein Besitz, sein Eigentum und möglicherweise sein Ziel.
Er stand abrupt auf, der Stuhl kippte polternd um, alle sahen her, auch die beiden vom Nachbartisch. Nicolas wollte sie ansprechen,
dann besann er sich, dachte an Jimmy Cliff, »
The harder they come, the harder they fall . .
.« Er überwand sich, dann ging alles einfach.
»Entschuldigung, meine Herren. Ich habe eben ein paar Gesprächsfetzen mitgehört, unfreiwillig. Es ließ sich leider |271| nicht vermeiden.« Nicolas griff zur Brieftasche, nestelte eine Visitenkarte hervor und legte sie aufs Tischtuch. »Mein Name
ist Hollmann, Frankfurt, Architekt. Sagt Ihnen das etwas, Hollmann AG, Frankfurt? Wenn Sie Fragen haben oder Hilfe brauchen
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