Der Portwein-Erbe
ich kenne mich in der Douro-Region recht gut aus. Rufen Sie mich an, ganz unverbindlich.«
Es war erstaunlich, wie leicht ihm das Lächeln und das Lügen fiel. Perúss kroch unter dem Tisch hervor, der Ober kam, erzählte
etwas über Hunde und dass sie nicht erwünscht seien. Nicolas gab dem Ober einen Zehn-Euro-Schein und winkte den Aufkäufern
seiner Quinta. Sie winkten zurück. Es war gut, einen Plan zu haben. Diese Lumpen würden nicht einen Stein von ihm kriegen,
den Wein würde er ihnen allerdings gern verkaufen.
Am nächsten Tag fuhr er nach Porto, gab den Leihwagen zurück und ließ sich von einem Taxi zum Autohändler bringen, wo sein
neues Leasingfahrzeug bereitstand, ein Toyota-Geländewagen. Auf dem Rückweg hielt er kurz vor Mesão Frio wieder am Schrottplatz.
Der Ginster war verblüht, er dachte daran, wie er angekommen war und was seitdem passiert war. Anfängliche Neugier und Offenheit
hatten sich in Durchhaltewillen und Misstrauen gewandelt. Zu den wenigen Fragen waren 100 neue gekommen, und positiv gesehen
hatte sich aus der Orientierungslosigkeit eine Perspektive entwickelt. Vielleicht sollte er eine Serie von Fotos hier auf
dem Platz machen, wie das Blech verrottete, wie sich junge Triebe durch Autotüren und zerbeulte Kofferräume Bahn brachen und
Gras in den Radkappen spross. Doch sein Hochgefühl beim Anblick von Schrottplätzen stellte sich nicht ein, heute störte ihn
der Schrott. War das die Folge seines neuen Lebens, seiner Beziehung zum Berg, zum Fluss und zum Haus?
Nicolas stieg in seinen Wagen, fuhr hinab ins Tal und spürte etwas wie heimatliche Gefühle. Die Berge am Fluss, |272| das Tal, die Terrassen und Rebzeilen, das war ein vertrauter Anblick, den er lieb gewonnen hatte. Als er Rita anrief, erwähnte
er Otelos E-Mail und die Reise nach Lissabon mit keinem Wort. Er plauderte mit ihr über dies und das und er sagte ihr, dass
er sich wahnsinnig freuen würde, wenn sie ihn wieder besuchen käme. Irgendwie musste er ihr beibringen, dass noch jemand anders
von dem Brief ans Reisebüro gewusst hatte. In Peso da Régua besorgte er sich Schreibpapier und teilte ihr seine Fragen in
einem kurzen Brief mit.
Abends bei Dona Verónica war er unkonzentriert, er fürchtete sich bereits jetzt vor dem Treffen mit Otelo oder mehr noch vor
seiner möglichen Weigerung, ihm zu helfen. Ohne ihn war alles verloren, allein war die Quinta nicht zu führen. Weshalb zeigte
sich Otelo so widerspenstig? Hatte er kein Verantwortungsgefühl? Was war geschehen, dass er alles von heute auf morgen im
Stich ließ?
Dona Verónica führte Nicolas’ mangelnde Aufmerksamkeit auf seinen Hunger zurück, denn sein Magen knurrte hörbar. Er war wegen
der Fahrt nach Porto nicht zum Essen gekommen, das konnte er mittlerweile auf Portugiesisch ausdrücken. Quälend verging der
Unterricht, erlöst verabschiedete Nicolas sich und fuhr nach Hause. Am Kreisverkehr vor der Brücke nach Peso da Régua überlegte
er es sich anders und fuhr hinüber, er wollte zum Restaurant, in dem er mit Dr. Veloso gegessen hatte. Er brauchte Gesellschaft,
wollte sich ablenken, nicht an Rita denken, dazu war die Nacht zu heiß. Es kühlte zwar ab, aber tagsüber stieg das Thermometer
auf knappe 40 Grad. So klein das Zentrum von Peso da Régua auch war, die Innenstadt war vollgeparkt, und so stellte er den
Wagen in einer geschlossenen Tankstelle ab; dort störte er niemanden, und bis zum Restaurant waren es wenige Minuten zu Fuß.
Er ging noch einmal um den neuen Wagen herum, der im fahlen Licht der Bogenlampen besonders massig wirkte. |273| Er gefiel ihm, besonders die praktische sandfarbene Lackierung, man würde den Staub nicht sehen. Außerdem, und das war das
Entscheidende, war der neue Wagen ein weithin sichtbarer Ausdruck dafür, dass er beabsichtigte, trotz aller Widrigkeiten zu
bleiben.
»
Hello, Nicolau!
«
Erstaunt drehte er sich um, da traf ihn ein Faustschlag ins Gesicht.
Er taumelte und riss die Arme hoch, um sich zu schützen, da bekam er einen Tritt in die Kniekehle, was ihm die Beine unter
dem Körper wegriss, und er ging neben dem Vorderrad des Wagens zu Boden. Jemand wollte seinen Kopf packen, aber das Haar war
zu kurz. Vier Hände rollten ihn auf den Bauch, er war zu überrascht, um an Gegenwehr zu denken. Er schrie, jemand trat ihm
auf den Kopf und hielt ihn mit dem Fuß am Boden, während ein zweiter Mann ihm die Arme auf den Rücken riss und blitzschnell
etwas
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