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Der Portwein-Erbe

Titel: Der Portwein-Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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auf Portugiesisch sagen konnte.
    Er hatte richtig vermutet. Da wurde Wein, sein Wein, unter der Hand verschoben. Wer weiß, wie viel seit Friedrichs Tod schon
     auf diese Weise verschwunden ist, fragte er sich. Wer von den beiden war hier kriminell, der Verwalter oder der Kellermeister
     – oder teilten sie den Gewinn? Da Silva kam mit einem Hubwagen, als wäre nichts geschehen, lud die Kartons auf und brachte
     sie ins Flaschenlager.
    Während Nicolas ins Büro zurückging, sagte er sich, dass es sinnvoll wäre, einen Wirtschaftsprüfer einzuschalten, um weitere
     Fehlbestände aufzudecken. Wenn es bei den Flaschen so zugeht, wie sieht es dann erst in der Kasse oder auf dem Bankkonto aus?
     Wer ist eigentlich berechtigt, im Namen der Firma Geld zu überweisen? Gibt es für die Mitarbeiter ein festgelegtes Limit?
     Aber genug Zeit, um die Quinta leer zu räumen, war seit Friedrichs Tod noch nicht vergangen. Pereira muss her, sagte sich
     Nicolas. Dann zögerte er, es war peinlich, den Anwalt mit jeder Lappalie zu belästigen. Also war Erfindungsgabe gefragt.
    Für die Flaschenetiketten müsste es die Rechnung der Druckerei geben. Er musste nur die gelieferte Menge mit dem Bestand an
     Etiketten abgleichen. Die Differenz musste der Zahl der verkauften Flaschen entsprechen, andernfalls bestahl ihn jemand. Aber
     es gab drei verschiedene Weine und etliche Jahrgänge ... also doch zählen?
    Er hatte angenommen, jeder werkele hier vor sich hin, unabhängig vom anderen, mehr chaotisch als organisiert, ohne Führung,
     ohne Richtung. Aber hier herrschte wie überall ein Geflecht von Beziehungen, das er nicht durchschaute. Freundschaft und Feindschaft,
     wortloses Verstehen und sich wiederholende, wortgewaltige Missverständnisse. Weshalb sollte es anders sein als im Berliner
     Architekturbüro? Nur da hatte er sich stets herausgehalten, was man ihm als Arroganz angekreidet hatte. Aber hier war er allen |143| anderen ausgeliefert. Die Seele, der Motor, die Zielsetzung, der Anführer fehlte. Hatten sie sich gegen ihn verbündet – mit
     dem Ziel, die Quinta auszuschlachten wie ein gestrandetes Schiff? Wer spielte welche Rolle? Wer stand oben, wer unten? Die
     wirklich lohnenden Verbrechen verübten die Insider ganz oben. Der Verwalter kannte sich in allem am besten aus – und was bedeutete
     das?
    Erst einmal war Dona Firmina am Zug. Morgens hatten auf dem großen Küchentisch zwei Gedecke gestanden. Vor dem einen war ein
     reichhaltiges Frühstück mit Schinken, Wurst und Käse aufgebaut, gegenüber lagen Trockenkekse, ein weiches und ein süßes Brötchen
     und daneben Marmelade. War es die Art der Köchin, von ihm zu erfahren, welche Art von Frühstück er mehr schätzte? Nicolas
     hatte sich zu dem reichhaltigeren Frühstück gesetzt. Auch der Blick war hier besser. Er war in Häusern mit Einbauküchen aufgewachsen,
     und er hasste sie. Er liebte alte verglaste Küchenschränke, einen Tisch in der Mitte zum Arbeiten, Stühle drum herum und eine
     Speisekammer neben dem Kühlschrank, alles so wie hier. Er musste herausfinden, wo Friedrich die alten Kacheln gekauft hatte.
     Sie mussten heute ein Vermögen wert sein. Dieser Otelo würde es auf jeden Fall wissen, der war von Anfang an dabei gewesen.
    Dona Firmina hatte ihn allein gelassen. Doch jetzt stand sie vor ihm, und er sah ihr an, dass sie nicht wusste, wie sie beginnen
     sollte. Er zeigte auf seinen Mund, und sie nickte. Sie sagte etwas, sah sich Hilfe suchend um, bedeutete Nicolas, mit vors
     Haus zu kommen, und wies nach unten auf den Fluss. Sie deutete mit den Händen Wellen an und dann etwas sich Schlängelndes.
     »
Peixe, o Senhor come peixe?
«
    Wenn sie fragte, ob er Fisch esse, einen aus dem Fluss, dann lag sie richtig. »Senhor Frederico«, sie zeigte nach oben, also
     war Friedrich ihrer Meinung nach in den Himmel   |144| gekommen. »Peixe – hmm.« Sie verdrehte genüsslich die Augen.
    Verflixt, er musste diese verdammte Sprache lernen, er kommunizierte auf dem Niveau von Zweijährigen. »
Sim, peixe!
«, murmelte Nicolas, von seiner Darbietung peinlich berührt. Sie schrieb mit einem Stöckchen 20:00 in den Sand, also wurde
     um 20 Uhr gegessen. Er würde sich daran halten und sah sie prüfend an. Diese Frau war möglicherweise sein Zugang zur Quinta,
     wenn er sie gewinnen konnte – die meisten Menschen gewann man über Bewunderung. Bei ihr würde es die Kochkunst sein. Was sie
     ihm bislang vorgesetzt hatte, war ausgezeichnet gewesen, und der

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