Der Portwein-Erbe
waren, die den Händlern keine andere Wahl ließen, als sie mit
Brandy zu versetzen – und dabei erfanden sie den Portwein.«
Nicolas kannte eine andere Version, nach der die Weine mit Branntwein versetzt worden waren, um sie für die Verschiffung nach
England haltbar zu machen, nachdem Frankreich wegen des Kriegs mit England als Lieferant ausgefallen war. Nicolas suchte weiter
und entdeckte neben vielen anderen Büchern auch alle, die er mitgebracht hatte. Er hätte sich die Kosten wie auch den Schweiß
des Schleppens sparen können. Nein, Happes Bändchen ›Bluff your way in Wines‹ war nicht darunter. Nachdem Nicolas einige Bände
durchgeblättert hatte, besserte sich seine Laune, er wurde geradezu euphorisch: Die meisten Bücher waren auf Deutsch, viele
auf Englisch oder zweisprachig und einige auf Französisch. Er war an der Quelle des Weinwissens, des theoretischen zumindest,
sie sprudelte und strömte. Ein Buch war sogar dreisprachig angelegt: deutsch, englisch und portugiesisch. Eine gewisse Heike
Breidenich, genauso ein blutiger Anfänger wie Nicolas, hatte einen Sommer über auf Weingütern der Firma Niepoort gearbeitet
und ein önologisches Tagebuch verfasst. Es war so kenntnisreich geschrieben, dass Fachleute daran mitgearbeitet haben mussten.
Es klopfte zaghaft. Dona Firmina brachte den Kaffee in einer silbernen Kanne auf einem silbernen Tablett und musterte ihn
ernst, einen so eindringlichen und gleichzeitig fragenden Blick hatte er lange nicht aushalten müssen. Dabei murmelte sie
einen unverständlichen Satz: »
Seu Frederico foi o seu pai ou seu tio?
«, und schüttelte verwundert den Kopf. »
Boa noite
«, sagte sie, »Gute Nacht.« Sie lächelte beim Hinausgehen und schloss leise die Tür, während |150| Nicolas zwischen den Buchstaben in die Welt des Weins eintauchte.
Was ihn am ersten Text störte, war der Satz, dass der Mensch am Douro seit Jahrhunderten gegen die Natur kämpfte. Wenn er
die Natur nicht begriffen hätte, würde sie ihm den Wein nicht geben. Doch so sah es nicht aus.
Lange betrachtete er eine Karte über die Bodenbeschaffenheit. Am Rio Douro kam hauptsächlich Schiefer vor, dazu brauchte er
nur aus dem Fenster zu sehen. Sogar einige Pfosten, an denen die Spanndrähte befestigt waren, die das Weinlaub hielten, bestanden
daraus. Zwischen den Rebstöcken lagen Schieferplatten, große und kleine, in den Trockenmauern waren sie verarbeitet, und das
Untergeschoss des Flaschenlagers war in den Schiefer getrieben worden, er hatte es an den Wänden gesehen. Die Auffaltung der
Gebirge hatte den Schiefer senkrecht gestellt, sodass er auseinanderbrechen und verwittern konnte. Darin hatte der Rio Douro
sein Bett geformt. Hätten die Schieferplatten flach gelegen, hätte man sie nicht aufbrechen und für eine Bepflanzung vorbereiten
können. Schiefer verwitterte und formte eine dünne, höchstens 25 Zentimeter dünne Erdschicht.
Am Rio Douro wuchsen dieselben Rebsorten wie in den anderen Weinbaugebieten Portugals, aber im Nachbarland kamen sie nicht
vor, bis auf die Tinta Roriz, die in Spanien Tempranillo genannt wurde. Boden und Klima, so der Text weiter, waren für den
unvergleichlichen Charakter des Portweins verantwortlich. Bulldozer und Dynamit, das waren die heutigen Methoden, den Schiefer
bei der Anlage neuer Weinberge aufzuspalten. Dazu also diente der kleine Raupenschlepper in der Remise. Früher hatte man in
mörderischer Arbeit Keile in den Schiefer getrieben und ihn zum Platzen gebracht. Morgen früh würde Nicolas die Rebzeilen
ablaufen und sich das Gestein ansehen. An einigen Stellen hatte er den Eindruck gehabt, dass der Wein auf Schuttfeldern |151| wuchs, nirgends ein Krümel Erde, nur graubraune Gesteinsbrocken.
Das nächste Kapitel betraf das Klima, hierzu fand er weitere Tabellen und Statistiken, die ihm zumindest einen theoretischen
Eindruck gaben, was in diesem Sommer auf ihn zukommen konnte. Jedenfalls keine 45 Grad, wie Happe geunkt hatte, sondern nur
40. Im Winter sollten die Temperaturen sogar bis unter null Grad fallen. Aber im Mittel blieben sie zwischen 7 und 26 Grad.
Die Sommer waren laut Statistik trocken, im Winter regnete es umso mehr, oft fiel der Wetterwechsel mit der Lese zusammen.
Die Quinta do Amanhecer lag in einem Gebiet mit durchschnittlich 600 bis 700 Millimeter Niederschlag. Wenn er die Rebstöcke
draußen betrachtete, konnte das nicht zu wenig sein, sie machten einen gesunden
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