Der potemkinsche Hund: Roman (German Edition)
die eigene grobe Sprache, ob sie nun aus ihrem Mund oder nur aus ihrem Kopf kam. Wieder versuchte sie, ihn in den Mund zu nehmen, sie schaffte es nicht einmal, den Mund über die Eichel zu stülpen, zu weich, und schon platzte es aus ihm heraus, wie es aus ihr herausplatzte, ein unfassbarer Schwall, dass sie kaum glauben konnte, dass der magere Mensch über ihr noch Blut in sich haben könnte, während sie erbrach. Sie kotzte aus, was sich in ihrem Magen befand, das Sperma roch nicht anders, schmeckte nicht anders, als die Haut roch, wie Gift, sie hatte den ganze Tag nichts gegessen, da war nur die Säure. Sie spürte seinen Penis noch an der Wange, wie ein abgegangener Fötus, glitschig und nass, ein kleines erstochenes Tier. Sie rutschte vom Bett, wischte sich mit dem Handrücken über den Mund: »War das auch schon so, als du noch lebtest?« Sie seufzte unzufrieden und Anatol murmelte: »Ich lebe noch.« Wie zwei Kinder, dachte sie, wie zwei Kinder, die nicht wissen, was sie mit ihren Körpern anzufangen hatten. Oder: Wie zwei Kinder, die zu beschränkt für Schere-Stein-Papier sind. Der Wind schlich durch das Zimmer, als gehörte es nun ihm. Als wäre die Luft rissig geworden, voller klaffender, finsterer Sprünge. Sie schlich im Dunkeln in die Küche, um ein Tuch zu holen, fand noch alten Tee in einer Tasse, rührte ihn um, er roch schon nach Schimmel. Stellte Tasse und Löffel in die Spüle. Da war nichts annähernd Magisches einer Löffelverbiegung, denn was nicht fest ist, muss nicht erweicht werden. Mit einer Packung Kekse, der Sorte, die sie von den alten noch übrig gebliebenen sowjetischen Backfabriken besonders liebte, das Letzte, was sie in ihrem Küchenschrank gefunden hatte, und einem Handtuch schlich sie zurück ins Zimmer, hockte sich aufs Bett, wischte sitzend das Erbrochene auf, warf das Handtuch in die am weitesten entfernte Ecke, begann an den Keksen zu knabbern, betrachtete die Straßenlaterne draußen vor der Veranda. Anatol war eingeschlafen.
Anatol schlief schlecht, es war schwer einzuschlafen, da lag ein offener Körper neben seinem. Ihm war diese Angst neu, aber nun, obwohl er die Nähte alle selbst entfernt hatte, und mag sein, dass es daran lag, dass die Wunden der Nähte noch vorhanden waren, sie ihn noch fühlen machten, dass sein Körper verschlossen war. Da lag eine Frau neben ihm und die Spalten und Ritzen ihres Körpers, ihre Körperöffnungen, waren unverschlossen. Hätte er selbst eine Vagina gehabt, wäre sie ihm nun, wie alle Öffnungen seines Körpers, wie eine klaffende Wunde vorgekommen, und diese Wunde kam näher, dieser offene Körper kam näher, ein schwarzes Loch, das ihn umgab, einsaugte, nein, es war nur unter ihm, oder über ihm. Ein böser Traum, nur ein böser Traum von der Apokalypse, sagte er sich, aber einer außerhalb der Traumwelt, maulte ihm die Stimme eines weniger träumenden Anatols dazwischen, der viel klarer war als er, denn er fühlte sich betrunken. Ein Betrunkener war er und wenn es kein Traum war, dann war es der betrunkene Zustand, in dem er schon mit Mädchen in Betten gestürzt war, aber die »Vodkanudel«, wie er das Ergebnis der Trinkerei nannte, wollte nicht. Würde sie auch jetzt, in diesem unrealen Moment, nicht. Weich gekocht in einem Grab, motzte der Traum-Anatol wieder, und Anatol war froh, dass der Hund draußen lag und nicht im Zimmer, denn der Hund hätte vermutlich den Respekt vor ihm verloren. Dabei sollte doch ein Mensch, wenn er sich einen Hund zulegte – als hättest du ihn dir zugelegt, schimpfte der Traum-Anatol wieder – diesem zeigen, wer der Chef war. Das schwarze Loch war über ihm, zwei schwarze Löcher, zwei Augenhöhlen und ein drittes, ein Mund, sie waren nicht schwarz, nur nachtdunkel. Und sie wurden heller, als sähe er das weiße Hundefell, aber auch der Hund hatte ein finsteres Veilchen, ein Kämpfer. Er war überzeugt, der Hund säße auf seiner Brust, aber sein blau geschlagenes Auge war verschwunden, da schlug Anatol oder schlug der Traum-Anatol, es machte vermutlich keinen Unterschied, dem Hund das Auge wieder blau, damit alles wieder seine Richtigkeit hatte und der Hund verschwand. Dafür schoss ein Schmerz in den Penis. Hatte das Hundsvieh ihn gebissen?, dachte er, gerade ins Gemächt? Wie boshaft. Das konnte doch unmöglich sein Hund gewesen sein. Das waren die schwarzen Löcher. Doch auch diese schwarzen Löcher verschwanden, ließen von seiner zerrissenen Haut ab. Das Verschwinden des Hundes bedauerte er
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