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Der potemkinsche Hund: Roman (German Edition)

Der potemkinsche Hund: Roman (German Edition)

Titel: Der potemkinsche Hund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordula Simon
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nach Kvas. Es roch, wie es damals im anatomischen Institut gerochen hatte, als sie noch studierte.
    Sie rückte ein Stück näher an ihn heran, er lag mit dem Gesicht zu ihr gewandt, also griff sie seinen Arm, drängte ihren Rücken an ihn. Der Geruch war giftig, schien ihr giftig, aber es war schon in Ordnung so, wie giftige Blüten, die nachts grün leuchten mussten, Gift, das er aufgenommen hatte, die Bienen aufgenommen hatten, es mit ihrem Stachel weiterzuverbreiten, nur einmal, dann starben sie, während sie hängenblieben im gelben Tageslicht, während ihre winzigen gelb-schwarzen Körper in die schwärzeste Nacht stürzten. Sie würden einander stechen, ineinander, die Enden von Geschichten in den jeweils anderen Körper schreiben, hoffte sie, während sich die Bienen vor der Dunkelheit verbargen. Zwei hautlose Tiere, die sich aneinander rieben, gegenseitig stachen und schnitten, auch wenn sie daran verbluten würden. Diese Monster waren sie.
    Und tatsächlich: Er berührte sie. Er berührte ihre Taille und ihre Hüfte, ließ die Hand hoch zu ihren Brüsten gleiten – wieder dachte sie: elender Pullover – und wieder zurück nach unten. Die Nähte ihrer Unterwäsche, die Furchen ihres Körpers entlang, entlang den ungeflickten Löchern ihres Pullovers, des einzigen, den sie nicht auf dem Flohmarkt verscheuern wollte, ihrer Haut, ihrer Unterwäsche, glaubte sie für einen Moment, ohne zu bemerken, dass es wieder einmal ihre eigenen Hände waren und sie sich nur in ihrem Wünschen, so wie früher, einbildete, mit fester, unerschütterlicher Vorstellungskraft, dass es seine wären. Zwischen diesen Berührungen brachte sie schließlich den Mut auf, ihren Körper unter seinen zu schieben. Der giftige Duft wurde stärker und ein Schimmeldunst kam aus seinem Atem. Es war nicht die Haut, die den Geruch der Kleidung aufgenommen hatte, wie sie geglaubt hatte. Die Kleidung hatte den Geruch der Haut angenommen. Aber würde der Geruch sich nicht ändern, wenn Tolik nur in ihrer Wohnung lebte, sein Geruch sich ihrem anpassen, dem Geruch der Wohnung. Sie zog seinen Körper über ihren, tastete endlich nach seinen Genitalien. Erst mal ins Leere, weiter, immer wieder ins Leere, während sie ihm zum ersten Mal küsste. Er hatte die Lippen geschlossen, der Gestank kam aus der Nase, sie zwang ihre Zunge in seinen Mund. Wie eine Reptilienzunge, tiefer, länger gezogen, weiter, konnte seine Zunge aber nicht finden. Wie viel Platz könnte er denn im Mund noch haben, sie zu verstecken? Die Lippen waren rau und aufgesprungen, der Mund innen wie mit Fell bedeckt. Sie massierte dabei seinen Penis, den sie endlich gefunden hatte, er war leichter zu finden gewesen als die Zunge, und die Bewegungen seiner Hüften suggerierten ihr, dass er das wollte, sie rieb ihre Vulva an ihm; die ungeflickten Löcher des Pullovers, dachte sie, hastig rieb sie, zog an ihm, als müsste ein anders Loch gestopft werden, doch er stand nicht. Sie verharrte. Wo zum Teufel war sein Blut, das sich gerade da, in seinem Glied, in ihrer Hand befinden sollte? Sie musste an Tom Sawyer denken, der vorgibt, ein Mädchen zu sein, und versucht, den Faden durchs Nadelöhr zu zwingen. Er kann daran lutschen, wie er will, der Faden geht nicht ins Loch. Wie lange mochte es her sein, dass sie das Buch gelesen hatte? Sie rieb stärker: Ein Turm-zu-Babel-Spiel, nur dass sie die Sprache seines Körpers nicht verstehen konnte. Da schlug er ihr mit der Faust ins Gesicht, aber sie hatte, obwohl das Auge und das Schläfenbein sofort begannen anzuschwellen, nicht vor, einfach so aufzugeben. Tom Sawyer lutschte, sie rollte Anatol von sich, wie Sisyphos, der seinen Stein rollte, und bevor sein Glied stand, fiel es wieder in sich zusammen, sie nahm ihn in den Mund, doch sie konnte lutschen, wie sie wollte, der Faden ging nicht ins Loch. Auch geknickte Zigaretten kann man nicht rauchen, dachte sie, war zornig auf sich selbst, weil sie wusste, dass sie, egal welchen Ausgang dieses Treiben haben würde, würde rauchen wollen und war zornig, dass sie schon vor langer Zeit damit aufgehört hatte. Meine Fut interessiert dich nicht, dachte sie, und sie hatte sofort Angst, es vielleicht laut gesagt zu haben. So viele interessieren sich dafür. Nur er nicht. Natürlich. Wie könnte es auch anders sein? Allen wollte sie sie vorenthalten, nur ihm nicht. »Du willst sie nicht haben, ich werf sie dir nach! Da! Geschenkt! Nimm’s endlich. Geschenkter Gaul! Geschenkte Fut!« Sie erschrak fast über

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