Der potemkinsche Hund: Roman (German Edition)
ukrainisch mit russischen Untertiteln. Sie ging zum Kühlschrank, öffnete ihn, das Licht benötigte einen Moment zu bemerken, dass es gebraucht wurde, nichts, wie in den Schränken, sie war sorgfältig gewesen. Alles, was nicht dem Vermieter gehörte, hatte sie auf dem Flohmarkt zurückgelassen. Sie nahm die leere Tasse wieder aus seiner Hand, wusch sie ab. Dass der Wasserhahn nicht mehr tropfte, fürchtete sie, war das Einzige, was übrig bleiben würde. Dann fiel der Strom aus.
XXIII
Только сказочка хуёвая
И конец y неё непpавильный –
Змей-Гоpыныч всех yбил и съел.
Янка Дягилева
Er war es einfach nicht gewesen. Der Anatol, den sie kannte, oder auch nicht kannte, war zwar vielleicht schmal, aber kräftig und mit einer tiefen, aber nicht so zerstörten, zerkratzen Stimme, wie es falsche Nadeln mit Vinylplatten anrichteten. Der Anatol, den sie kannte, oder auch nicht kannte, der schrieb Lieder für sie, in denen er darüber klagte, dass er sie suchte, und dass sie ihn erhören sollte. Er hatte behauptet, nach Hause zu gehen, und hatte den Hof verlassen. Wäre er nach Hause gegangen, wäre er doch einfach nach gegenüber gegangen, quer über den Hof und nicht hinaus auf die Straße. Sie erschrak über das, was sie getan hatte: Sie hatte einen Fremden in die Wohnung gelassen, die ihr, solange der Fremde da war, wie die eigene schien. In die Wohnung der Doppelgängerin. Das Tier im Magen fauchte und kratzte, stieß die Krallen hoch, bis in ihre Kehle. Gut, dass der Fremde gegangen war, sonst hätte sie ihm sagen müssen, dass er gehen sollte, dabei war auch ihre Stimme gerade zerkratztes Vinyl. Hatte er gesagt, dass er wiederkommen würde? Sie wusste nicht mehr, mit welchen aufgeschundenen Lauten er sich verabschiedet hatte. Diese entsetzliche Stimme. Er war gegangen, und es hatte geklungen, als hätte jemand eine Gitarre zu Boden geworfen und das Holz wäre zerborsten. Nein, dieser Mann, dieser schwächliche, schwanzverkrüppelte, geduckte Kerl, so flüsterte sie mit ihrer wunden Stimme: »schwächlicher, schwanzverkrüppelter Kerl«, passte nicht zu dem, zu allem, was sie über Anatol wusste und nicht wusste und nicht wissen konnte. Er hatte nicht ins Bild gepasst, nicht in ihr Leben, nicht einmal in ihren Tod passte der. Nur gut, dachte sie, sich kurz umblickend – denn sie hatte Angst, dass da eine Doppelgängerin wäre, die die Gedanken gehört haben könnte, aber sie war letzte Nacht wohl nicht nach Hause gekommen –, dass sie sich immerhin nicht mehr um ihr Gerümpel am Flohmarkt kümmern musste. Andere würden die Sachen mitgenommen haben, andere würden an den Platz gekommen sein, wo sie ihren Besitz aufgebreitet hatte, und weil niemand in der Nähe war, sie bestohlen haben. Da musste sie immerhin nicht mehr mühsam Gegenstand für Geld tauschen. Und die Gegenstände würden sich voneinander getrennt haben, so wie Irina sich von ihnen getrennt hatte. Einzelne Menschen und einzelne Gegenstände würden sich verstohlen davongemacht haben. Das brachte sie zum Lächeln. Der Köter war wohl das größte Problem. Das Vieh, das aussah, als hätte ihm jemand ein Veilchen geschlagen. Seelenruhig lag er in der Küche und beobachtete, gelegentlich die Augenbrauen hebend, all ihre Bewegungen. Sie wies mit dem Finger zur Tür und schrie, dass es ihn hätte verjagen müssen: »Hinaus!«, doch er reagierte nicht. Sie packte ihn am Nacken, zerrte an ihm, doch er gähnte gleichgültig. Sie zog an dem kleinen dünnen Teppich, mehr eine Schuhmatte, auf dem er lag, wollte ihn nach draußen schleifen, da erhob er sich endlich, dass sie umstürzte, weil das Gewicht des Hundes kein Gegengewicht mehr zu ihrem Körper bildete. So saß sie auf ihrem Hintern, während der Hund sich unter den Tisch legte. Er ignorierte sie also, dann würde auch sie ihn ignorieren, sollte er halt bleiben, was scherte es sie noch? Alles, was noch da war, waren die Bettsachen. Die alte Federdecke, das Kissen und die Überzüge. Das war alles, was ihr oder der anderen hier noch gehörte, alles andere war Besitz der Vermieterin. Der Vermieterin hatte sie schon vor langer Zeit erzählt, dass sie einen Freund habe, einen richtigen, etwas Festes, denn wann immer sie sich in der Wohnung einfand, sich stöhnend auf den Diwan fallen ließ, bemängelte sie, dass es in der Wohnung an einer männlichen Hand fehle und dass es ganz und gar unschön und zugleich unvernünftig sei, wenn eine
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