Der Präsident
starrte geradeaus; ihre Augen blickten so intensiv, dass sie gleichzeitig nichts und doch alles zu erfassen schienen. Jack wollte aufstehen, auf sie zugehen, doch die Beine versagten ihm den Dienst. Noch kurz zuvor war er energiegeladen und kampfbereit gewesen, außerdem fuchsteufelswild auf seinen störrischen Mandanten; nun war ihm selbst das letzte Quentchen Kraft urplötzlich abhanden gekommen. Ihm war übel, doch er wusste, dass er selbst zum Erbrechen zu schwach war.
Mit Franks Hilfe schaffte er es zitternd auf die Beine und torkelte zu ihr. Einmal in ihrem Leben stellten die neugierigen Reporter keine Fragen. Die Fotografen vergaßen, die obligatorischen Bilder zu schießen. Als Kate sich neben ihren Vater kniete und behutsam die Hand auf seine reglose Schulter legte, waren nur der Wind und die entfernte Sirene einer Ambulanz zu vernehmen. Ein paar Minuten lang blieb die Zeit vor dem Gerichtsgebäude von Middleton stehen.
Während die Limousine ihn zurück in die Stadt fuhr, strich Alan Richmond seine Krawatte glatt und schenkte sich ein Ginger Ale ein. Seine Gedanken galten den Schlagzeilen, die zweifellos die nächsten Ausgaben der Zeitungen beherrschen würden. Die großen Nachrichtensender würden sich um ihn reißen, was er zu nützen gedachte. Er würde weiter seinem normalen Tagesplan folgen. Der unerschütterliche Präsident. Schüsse waren auf ihn abgefeuert worden, doch er verkroch sich nicht, sondern ging weiter seiner Pflicht nach, das Land zu regieren, das Volk zuführen. Vor seinem geistigen Auge sah er bereits die Meinungsumfragen. Mindestens weitere zehn Punkte Vorsprung. Man konnte sagen, dass er zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen hatte. Und alles war so einfach gewesen. Wann würde er je auf eine richtige Herausforderung stoßen?
Bill Burton schaute zum Präsidenten hinüber, während sich die Limousine der Bezirksgrenze von Washington näherte. Luther Whitney hatte soeben Bekanntschaft mit dem tödlichsten Stück Munition gemacht, das Collin in sein Gewehr stopfen konnte, und dieser Kerl saß da und schlürfte seelenruhig sein Schweppes. Burton war speiübel.
Dabei war es noch nicht zu Ende. Nicht in seinen wildesten Träumen wagte er zu hoffen, er könnte die Angelegenheit je vergessen; zumindest aber konnte er den Rest seiner Zeit als freier Mann verleben. Als Mann, den seine Kinder achteten, auch wenn er inzwischen jede Selbstachtung verloren hatte.
Während er den Präsidenten weiter anstarrte, bekam Burton plötzlich den Eindruck, dass der Hundesohn auch noch stolz auf sich war. Schon zuvor hatte er diese Gelassenheit inmitten extremer, vorsätzlicher Gewalt erlebt. Richmond zeigte keine Anzeichen von Reue, obwohl soeben ein Menschenleben geopfert worden war. Statt dessen empfand er Euphorie. Triumph. Burton erinnerte sich an die Male an Christine Sullivans Hals. An den misshandelten Kiefer. An die ominösen Geräusche, die er schon aus anderen Schlafzimmern vernommen hatte. Der Mann des Volkes.
Dann dachte er zurück an das Treffen mit Richmond, bei dem er seinem Boss alle Fakten unterbreitet hatte. Abgesehen davon, dass Russell sich wie ein Wurm krümmte und wand, war es keine angenehme Erfahrung gewesen.
Richmond hatte sie alle angestarrt. Burton und Russell saßen nebeneinander. Collin stand an der Tür. Sie befanden sich in den Privatgemächern der Familie, in einem Trakt, zu dem die neugierige Öffentlichkeit keinen Zugang hatte. Der Rest der First Family machte einen kurzen Urlaub und besuchte Verwandte. Es war am besten so. Das wichtigste Familienmitglied war in keiner besonders verträglichen Stimmung.
Endlich kannte der Präsident sämtliche Einzelheiten. Einschließlich der Sache mit dem Brieföffner, an dem besonders belastende Beweise hafteten und der sich in den Händen ihres cleveren, verbrecherischen Augenzeugen befand. Dem Präsidenten gerann beinahe das Blut in den Adern, als Burton es ihm erklärte. Die Worte des Agenten hingen noch in der Luft, als der Präsident sich langsam zu seiner Stabschefin herumdrehte.
Als Collin Russells Anweisungen wiedergab, die Klinge und den Griff nicht abzuwischen, erhob sich der Präsident und beugte sich über die Stabschefin, die so weit in den Sessel zurückwich, dass sie wie ein Teil des Stoffes wirkte. Sein Blick war vernichtend. Schließlich bedeckte sie die Augen mit der Hand. Ihre Bluse war an den Achseln schweißgetränkt. Sie brachte kein Wort heraus; aber was hätte sie auch sagen sollen?
Richmond setzte sich
Weitere Kostenlose Bücher